Leben wir in einer Matrix?

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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So 22. Okt 2017, 11:54

Marcus Müller bei hat geschrieben : Die Grundlage alles Seienden ist rein mathematisch. Es gibt nichts außer eine mathematische Struktur, deren Teil wir selbst sind und bei deren indirekter Betrachtung wir uns das Modell einer physikalischen Welt und eines subjektiven raumzeitlichen Erlebens projizieren / halluzinieren. Quelle
Gibt es nichts als eine mathematische Struktur wie Marcus Müller meint?




Tosa Inu
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So 22. Okt 2017, 18:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 11:54
Marcus Müller bei hat geschrieben : Die Grundlage alles Seienden ist rein mathematisch. Es gibt nichts außer eine mathematische Struktur, deren Teil wir selbst sind und bei deren indirekter Betrachtung wir uns das Modell einer physikalischen Welt und eines subjektiven raumzeitlichen Erlebens projizieren / halluzinieren. Quelle
Gibt es nichts als eine mathematische Struktur wie Marcus Müller meint?
Das ist ja im Grunde eine Position wie: Alles ist Geist oder Bewusstsein, nur dass das Bewusstsein eben mathematisch unterlegt ist.
Fragen sind immer: Wie kommt es, dass ich nicht durch eine geschlosseneTür komme?
Wie kommt es, dass das bei anderen auch der Fall ist? Falls man meint, weil alle dran glauben, dass sie es nicht können, wäre die nächste Frage, warum ein Vogel es auch nicht kann. Wenn es heißt, wie hätten den konstruiert ist das Solipsismus, der mich nicht überzeugt, ansonsten wäre ich auf die Antwort gespannt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:31
Das ist ja im Grunde eine Position wie: Alles ist Geist oder Bewusstsein, nur dass das Bewusstsein eben mathematisch unterlegt ist.
Witzig, ich hätte es genau umgekehrt interpretiert :-) Ich meine es ist ein "Materialismus" ohne Materie, die sich unter den Händen der Physiker ja mehr und mehr aufzulösen scheint.




Tosa Inu
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 19:00
Ich meine es ist ein "Materialismus" ohne Materie, die sich unter den Händen der Physiker ja mehr und mehr aufzulösen scheint.
Wenn sich die Materie gemäß mathematischer Formalien verhält, muss ja geklärt werden, wie diese Informationen über das richtige Verhalten an/in die Materie gelangen. Ist sie der Materie inhärent heißt das nichts weiter, als dass sich Materie im wörtlichen Sinne berechenbar verhält. Kommen die Informationen von außen, ... ja, wie?



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Jörn Budesheim
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So 22. Okt 2017, 20:18

Wie sich Marcus Müller das im Detail vorstellt, weiß ich nicht :-( ich hab ihn eingeladen, das hier vorzustellen...




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Alethos
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So 22. Okt 2017, 20:51

In einer Welt von ausschliesslich mathematischer Struktur, da nehmen Mathematiker natürlich besonders privilegierte Sitzplätze ein. Ganz grosses Zahlenkino der Wirklichkeit.

Ich bin überzeugt, dass Herr Marcus Müller seinen Mathemialismus auch belegen kann.



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MarcusMueller
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Dieser "Mathemialismus" beruht bei mir auf zwei Blickwinkeln:

a) Schon Galileo sagte, dass die Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben sei. Relativitäts- und Quantentheorie sagen uns, dass Raumzeit, Materie und Energie nicht so absolute Dinge sind, wie sie uns erscheinen. Alle Naturbeobachtung führt am Ende zu mathematischen Eigenschaften und Relationen. Darauf aufbauen hat der Physiker Max Tegmark die Hypothese des mathematischen Universums entwickelt: Das Universum ist nicht nur bis ins letzte Detail mathematisch beschreibbar, hat nicht nur ausschließlich mathematische Eigenschaften, sondern ist nichts anderes als mathematische Struktur (was man nicht mit unserer deskriptiven symbolischen mathematischen Sprache verwechseln soll). D.h. alles, was "existiert" basiert auf dieser mathematischen Struktur.

b) Auch das Problem der Begrenztheit, Täuschbarkeit und Indirektheit unserer Wahrnehmung und Kognition haben Philosophen schon früh erkannt, als Beispiel sei nur Platons Höhlengleichnis erwähnt. Der Höhepunkt der Erkenntnisphilosophie war die Entwicklung des radikalen Konstruktivismus u.a. durch die Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela ("Der Baum der Erkenntnis"), die auch die Grundsteine der Systemtheorie gelegt hatten. Durch u.a. die kybernetische Betrachtung des Auges erörterten sie die Indirektheit, Selektivität und innere Modellierung unserer "Wahr"-Nehmung der "Außenwelt". Mit bekannten Narrativen z.B. des Simulacrums, Filmen wie Matrix und auch Phänomenen wie dem Klarträumen wird die Gewissheit der Realität hinter unserer inneren Wahrnehmungswelt in Frage gestellt.

Was z.B. unser Auge wahrnimmt, sind selektive Ausschnitte aus einem elektromagnetischen Erregungsfeld, die mit den Pigmenten unserer Sehzellen wechselwirken, was dann in ein elektrochemisches Signal umgewandelt wird (das sich nicht von akustischen, olfaktorischen oder anderen Sinnesmeldungen unterscheidet und deswegen auch mit anderen "Kanälen" überspringen kann →Synästhesie), was dann wiederum einige Ebenen der Filterung, Musterassoziationen und unbewussten Wertungen durchläuft, bis es in das Bild der aktuellen bewussten Wahrnehmung eingebaut wird. Dabei entsteht ein inneres Modell der "Außenwelt", das z.B. u.a. auch das Phänomen der Farben enthält, die eine willkürliche subjektive ("Falschfarben"-)Einfärbung bestimmter Wellenlängen darstellen und hervorheben. Unser Hirn ist darauf optimiert, im Chaos der einströmenden Sinneseindrücke Muster zu erkennen und diese mit Sinn zu erfüllen (Sinn für unser autopoietisches Überleben).

Worauf es jedoch ankommt: Was wir für einen direkten Blick auf die Außenwelt halten, ist in Wirklichkeit ein selektives, gefiltertes, eingefärbtes Modell in unserem Kopf, das in keiner Weise mit dem identisch ist, was sich "außerhalb" von uns befindet. Es gibt in der Physik und Kognitionswissenschaft einige deutliche Hinweise darauf, dass nicht nur Farben eine "Illusion" sind, die nur in unserem Kopf konstruiert wird, sondern auch Raum und Zeit als kognitives Betrachtungs-"Interface" zu sehen sind (ähnlich wie die Icons auf dem Desktop als Interface für unsere symbolische Nutzbarkeit für die Realität von nicht betrachtbaren elektronischen Informationschaos auf der Festplatte stehen).

Zusammengefasst würde ich es so beschreiben: Das Universum (oder besser unser Raumzeitkontinuum, unsere Wirklichkeit) ist (Ausschnitt) eine(r) rein mathematischen Struktur, aus der unser neuronales Netz (ebenfalls Teil dieser Struktur) durch selektive Modellbildung dann eine farbenfrohe, klingende, duftende, schmeckende, tastbare, räumlich ausgedehnte und zeitlich veränderliche physikalische Lebensumwelt zaubert (als Kopfkino halluziniert).

Beweisen kann man diese Hypothese des rein mathematischen Universums zwar nicht, aber es gibt sowohl physikalisch als auch kognitiv / erkenntnistheoretisch einiges, was dafür spricht.




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Jörn Budesheim
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Mo 23. Okt 2017, 09:16

Herrlich willkommen!




MarcusMueller
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Mo 23. Okt 2017, 09:34

Tosa Inu hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 18:31
Das ist ja im Grunde eine Position wie: Alles ist Geist oder Bewusstsein, nur dass das Bewusstsein eben mathematisch unterlegt ist.
Fragen sind immer: Wie kommt es, dass ich nicht durch eine geschlosseneTür komme?
Wie kommt es, dass das bei anderen auch der Fall ist? Falls man meint, weil alle dran glauben, dass sie es nicht können, wäre die nächste Frage, warum ein Vogel es auch nicht kann. Wenn es heißt, wie hätten den konstruiert ist das Solipsismus, der mich nicht überzeugt, ansonsten wäre ich auf die Antwort gespannt.
Bei dieser Hypothese ist eine rein mathematische Struktur (alles was es an mathematischen Relationsmengen "gibt") die Grundlage von allem, auch vom Bewusstsein, das sich dadurch natürlich noch lange nicht reduktionistisch erklären lässt, auch wenn es schon interessante systemtheoretische / kybernetische, neurowissenschaftliche und neurophilosophische Modelle des Bewusstseins und seiner Bedeutung gibt:

Dietrich Dörner: "Die Mechanik des Seelenwagens: Eine neuronale Theorie der Handlungsregulation"
Thomas Metzinger: "Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik"
Antonio Damasio: "Selbst ist der Mensch: Körper, Geist und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins"
Douglas R. Hofstadter: "I Am a Strange Loop"
Michael Gazzaniga: "Die Ich-Illusion: Wie Bewusstsein und freier Wille entstehen"
uvm.

Dass wir nicht durch die Tür kommen, obwohl "alles nur Illusion" sei, liegt daran, dass die mathematische Struktur strikt bestimmt, auf Basis welchen Regulatoriums alles funktioniert.

Ein einfaches Beispiel ist Conway's Game of Life:

Zugrunde liegt eine mathematische Struktur einer zweidimensionalen Matrix (begrenzt oder unbegrenzt), eines Anfangszustandes und vier einfachen Regelns, wann ein Feld dieser Matrix aktiviert oder deaktiviert ("lebendig" / "tot") wird - in Abhängigkeit von seinen Nachbarn:

1) Eine inaktive Zelle wird in der Folgegeneration aktiv, wenn sie genau drei aktive Nachbarn hat
2) Aktive Zellen mit weniger als zwei Nachbarn werden inaktiv
3) Aktive mit zwei oder drei Nachbarn bleiben aktiv
4) Aktive mit mehr als drei Nachbarn werden inaktiv.

Aus dieser einfachen Struktur von Matrix und Regeln ergibt sich je nach Anfangszustand eine komplexe "Welt" von oszillierenden, wandernden, "Objekte" ausstoßenden Strukturen, die auf uns "lebendig" wirken. Jedenfalls eine Welt, die wir nicht in vier so einfachen Regeln erwartet hätten.

Ähnlich ist es mit der Welt der Fraktale, z.B. der Mandelbrotmenge: Aus einer simplen Iterationsformel:

z(0) = 0
z(1) = z(0)^2 + c

und der Betrachtung der Divergenz für verschiedene c bilden die komplexen Zahlen eine Ebene von unglaublich detailreichen Strukturen wie man in solchen Zooms betrachten kann:



Die Fähigkeit der Mathematik (also der Strukturen, die unsere mathematische Symbolsprache beschreibt) komplexe Welten aus einfachsten Ausgangsbedingungen "aufzubauen" stellt unübersehbar die Frage: Ist unsere Welt ebenso auf der Basis einfacher Grundbedingungen aufgebaut und ist die Frage von Hawkings "Was ist es, das den Gleichungen Feuer einhaucht?" vielleicht falsch gestellt, da sie selbst das Feuer der Existenz sind.




Franz Maria Arwee
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Mo 23. Okt 2017, 11:26

Logisch, jedoch nicht 'formal logisch' betrachtet, ist es genau umgekehrt:

Idealisten sind die wirklichen Höhlenmenschen, die neben Platon sitzend, auf Wände starren, völlig gebannt und fokussiert die schwarz-weißen Schattenspiele ansehend, gefesselt von ihrer Gewißheit. Ignoranz ist die einzig wahre moralische Stärke eines jeden Ideologen, der ohne seine Scheuklappen gar kein Idealist sein könnte.

(Auch ein Hallo in Forum)




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Jörn Budesheim
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Mo 23. Okt 2017, 11:29

Herzlich willkommen Franz Maria Arwee!




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Dia_Logos
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Mo 23. Okt 2017, 11:36

Franz Maria Arwee und MarcusMueller - DiaLogos ist ein junges Forum. Schön, dass ihr da seid. Die Antworten kommen bei uns noch nicht im Minutentakt, aber sie kommen!




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Alethos
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Mo 23. Okt 2017, 12:48

Herzlich willkommen, auch von mir.



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Alethos
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Mo 23. Okt 2017, 13:07

MarcusMueller hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 09:05
alles, was "existiert" basiert auf dieser mathematischen Struktur.
Eine faszinierende These, die erstmal gewisse Fragezeichen aufwirft. Ich werde mich bei Gelegenheit in das Thema einlesen. Vielen Dank schonmal für diese Ausführungen.

Was mich natürlich zunächst interessieren würde, ist, ob die Existenz der mathematischen Struktur als faktische verstanden wird resp. ob und in welcher Form Mathematik im raumzeitlichen Gefüge vorkommt, d.h. ob Zahlen eine ontische Wirklichkeit haben, also auch in der Zeit vorkommen oder in gewissem Sinne in einer Unzeit.

Und dann meine ich, würde mich weiter interessieren, ob diese mathematische Grundstruktur, die ich mir als ‚Gerüst‘ für unsere Wahrnehmungen vorstelle, das Stete und das Veränderbare einkalkuliert, d.h. ob das Stirb und Werde aller Dinge sozusagen mathematisch eingepreist ist.

Und dann natürlich, inwiefern die Strukturiertheit der relationalen Beziehungen von Objekt und Subjekt vorkommen, also inwiefern dieses Konzept Intentionen, Wünsche, zwischenmenschliche Beziehungen, Würde, das Gute, Wahrheit etc. erklären kann.



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Jörn Budesheim
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MarcusMueller hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 09:34
Hypothese
Ich weiß zwar noch lange nicht, ob ich ahne, worauf du hinaus willst. Dennoch drei Fragen: Was soll die Hypothese erklären? Alles? Die physikalische Welt? Theaterstücke? Die Welt der Zahlen? Die Kunst, etc?

Und welche Belege gibt es für die Hypothese?

Ist die Hypothese ein Form von Naturalismus, wie ich vermutet habe oder eher eine Form von Idealismus wie Tosa Inu meinte oder keins von beiden?




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Jörn Budesheim
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Mo 23. Okt 2017, 14:01

Franz Maria Arwee hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 11:26
Logisch, jedoch nicht 'formal logisch' betrachtet, ist es genau umgekehrt:

Idealisten sind die wirklichen Höhlenmenschen, die neben Platon sitzend, auf Wände starren, völlig gebannt und fokussiert die schwarz-weißen Schattenspiele ansehend, gefesselt von ihrer Gewißheit. Ignoranz ist die einzig wahre moralische Stärke eines jeden Ideologen, der ohne seine Scheuklappen gar kein Idealist sein könnte.
Strenge Worte :-) Nun ist der Begriff Idealist ja nicht in Stein gemeißelt, kannst du kurz erklären, "gegen" wen sich deine Kritik richtet?




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Jörn Budesheim
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MarcusMueller hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 09:34
Thomas Metzinger
Apropos Metzinger - wir bauen gerade einen kleinen YouTube-Channel auf, da gibt es auch schon eine (kleine) Metzinger-Playlist > HIER :-)




Tosa Inu
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Mo 23. Okt 2017, 16:05

Herzlich Willkommen auch von mir!
Ich muss jetzt noch ein weng schreibend arbeiten und habe heute dann eine Nachtschicht (Was tut man nicht alles für Geld?), ich versuche aber schon mal eine erst kurze Antwort:
MarcusMueller hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 09:34
Bei dieser Hypothese ist eine rein mathematische Struktur (alles was es an mathematischen Relationsmengen "gibt") die Grundlage von allem, auch vom Bewusstsein, das sich dadurch natürlich noch lange nicht reduktionistisch erklären lässt, auch wenn es schon interessante systemtheoretische / kybernetische, neurowissenschaftliche und neurophilosophische Modelle des Bewusstseins und seiner Bedeutung gibt:
Den meisten dieser Neuroansätze stehe ich eher skpetisch gegenüber, das ist in dem Sinne also kein Selbstläufer
MarcusMueller hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 09:34
Dass wir nicht durch die Tür kommen, obwohl "alles nur Illusion" sei, liegt daran, dass die mathematische Struktur strikt bestimmt, auf Basis welchen Regulatoriums alles funktioniert.

Ein einfaches Beispiel ist Conway's Game of Life:

Zugrunde liegt eine mathematische Struktur einer zweidimensionalen Matrix (begrenzt oder unbegrenzt), eines Anfangszustandes und vier einfachen Regelns, wann ein Feld dieser Matrix aktiviert oder deaktiviert ("lebendig" / "tot") wird - in Abhängigkeit von seinen Nachbarn:

1) Eine inaktive Zelle wird in der Folgegeneration aktiv, wenn sie genau drei aktive Nachbarn hat
2) Aktive Zellen mit weniger als zwei Nachbarn werden inaktiv
3) Aktive mit zwei oder drei Nachbarn bleiben aktiv
4) Aktive mit mehr als drei Nachbarn werden inaktiv.

Aus dieser einfachen Struktur von Matrix und Regeln ergibt sich je nach Anfangszustand eine komplexe "Welt" von oszillierenden, wandernden, "Objekte" ausstoßenden Strukturen, die auf uns "lebendig" wirken. Jedenfalls eine Welt, die wir nicht in vier so einfachen Regeln erwartet hätten.
Ich halte es für durchaus möglich, dass scheinbar komplexes Verhalten in einfachen Algorithmen darstellbar ist (bei der Schwarmintelligenz scheint das z.B so zu sein), auch, dass mathematische Formeln sehr lebendige Welten erschaffen können, aber das ist ja noch kein Beweis dafür, dass der Welt Mathematik zugrunde liegt.

Ein großes Problem ist ja auch immer die Sprache, mit ihren Phänomenen der Bedeutungsverschiebung und Motive wie Sinn, Lust, das Streben nach dem Wahren, Schönen und Guten in Formeln zu gießen, die obendrein noch mehr erklären (und nicht die Hälfte weglassen) als wir bereits wissen.
MarcusMueller hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 09:34
Die Fähigkeit der Mathematik (also der Strukturen, die unsere mathematische Symbolsprache beschreibt) komplexe Welten aus einfachsten Ausgangsbedingungen "aufzubauen" stellt unübersehbar die Frage: Ist unsere Welt ebenso auf der Basis einfacher Grundbedingungen aufgebaut und ist die Frage von Hawkings "Was ist es, das den Gleichungen Feuer einhaucht?" vielleicht falsch gestellt, da sie selbst das Feuer der Existenz sind.
Das wäre immerhin ein Monismus, der die Probleme des Dualismus an der Stelle überwindet, aber das Echo begegnet uns ja immer wieder. Man handelt sich immer größere Probleme ein (außer aus der Sicht beinharter Materialisten), wenn man das Verhalten der Psyche aus dem Verhalten der Materie ableiten will. Zwar lässt sich auch eine gewissen Unberechenbarkeit mathemathisch-logisch darstellen, etwa indem man einführt, aus dem und dem Schritt folge Beliebiges, allerdings darf man auch die Elemente von Zufall und Willkür nicht überstrapazieren, da ansonsten die Vorhersagekraft dramatisch sinkt und die uns bekannte Welt weist ja eine hohe Regelmäßigkeit auf.

Psychologisch gesehen folgt die Vielheit unserer Verhaltensweise wohl der Tatsache, dass sich das neuere Kommunikationsmodell Sprache wohl auf das ältere Kommunikationsmodell Affekte niedergesenkt hat und mit diesem durch die Zeit verschmolzen ist (was diverse Reduktionismen zerschellen lässt). Beide Formen sind ein Stück weit auch berechenbar, so wie die Natur insgesamt ja auch, woran das liegt, darüber streiten die Gelehrten.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Tarvoc
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Mo 23. Okt 2017, 16:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Okt 2017, 11:54
Gibt es nichts als eine mathematische Struktur wie Marcus Müller meint?
Wie käme man denn dazu, sowas anzunehmen?



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Jörn Budesheim
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Mo 23. Okt 2017, 16:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 13:55
[...] welche Belege gibt es für die Hypothese?
Tarvoc hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 16:16
Wie käme man denn dazu, sowas anzunehmen?
Da MarcusMueller weiter oben schon ein paar Zeilen geschrieben hat, hoffe ich, dass er deine und meine Neugier noch etwas befriedigen wird :-) Ich bin gespannt!




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