Wozu, wenn alles auf Knopfdruck abrufbar ist? Worin besteht der Sinn, einen Text über Goethe oder Schiller zu produzieren, wenn mein Handy in der Funktion eines externen Wissensspeichers das alles viel besser kann?
(Damit ich nicht falsch verstanden werde: Das ist nicht meine Meinung, sondern meine Vorstellung von den Fragen, die man zukünftig denen, die sie stellen werden, und das wird kommen, beantworten muss.)
sybok hat geschrieben : ↑ Di 17. Jan 2023, 11:11
Andererseits gehe ich davon aus, dass man die Fehler und Schwächen des Tools beheben kann. Es könnte aber natürlich ja auch sein, dass man auf sowas wie eine asymptotische Schranke trifft bezüglich dem durch Statistik und aktuellen Methoden Möglichem und ChatGPT da nun nahe dran ist - also dass es das jetzt mehr oder weniger war.
LaMDA soll schon sehr viel besser sein als dieses, und zu der reinen "Intelligenz" kommt ja noch die Frage des Bewusstseins dazu. In der ZEIT ist ein dreiseitiges Dossier über die Geschichte dieses Tools drinnen, und am Ende hat ja lediglich ein Programmierer gegen einen anderen, weil er weniger religiös geprägt ist, die Frage des Bewusstseins verneint.
Was im KI-Strang hin und her diskutiert wurde, ist auf einmal Thema in der Qualitätspresse. Ich bin mir sicher, dass diese Revolution aus den Programmierbüros rasend schnell um sich greifen wird, viel schneller, als ich mir das noch vor Wochen vorstellen konnte. Sie wird von oben her inszeniert, sich aber von unten her, von den Jungen her, durchsetzen. Und im Prinzip müssten wir tatsächlich mal historisch über unseren Bildungsbegriff, über humanistische Ideale diskutieren. Unser Bildungsbegriff ist ja schon ein Ergebnis der Restaurationszeit, eine quietistische und gleichzeitig klassenabgrenzende Antwort des gehobenen Bürgertums auf die machtpolitische Ohnmacht sowohl in der Metternich-Zeit als auch nach der verlorenen 48er Revolution. Er muss deshalb nicht sinnlos oder falsch sein, aber sein Idealismus mit dem Ergebnis der Hochschätzung der klassischen Bildung gegenüber der praktischen weht noch immer durch die Gesellschaft - durch ein philosophisches Forum zumal.
sybok hat geschrieben : ↑ Di 17. Jan 2023, 11:11
Lucian Wing hat geschrieben : ↑ Di 17. Jan 2023, 09:38
Diese Dinge werden die Zukunft sein, in ihnen wird sich, philosophisch gesprochen, auch die Postmoderne vollenden.
So ähnliche Gedanken mit Stichwort Postmoderne sind mir auch gekommen, aber unscharf und leider nur gefühlsmässig. Kannst du mir helfen das genauer zu erfassen und ein, zwei Worte sagen, inwiefern sich in ihnen die Postmoderne vollendet? Klingt interessant.
Abschied von der Wahrheit, Leben als reine Textgenerierung unter Verwischung der Grenzen zwischen Tatsachen und Erzählungen. Es kommt nicht mehr darauf an, was ist, sondern was erzählt wird. (Etwas sehr grob gesagt). Es ist schade, dass Carl S. nicht hier ist, denn ihn könnte man mal fragen, inwieweit die Theorie seines geliebten Brandom mit seinem Inferentialismus genau auf diese Tools passt.
Nachtrag: Bei dieser reinen Texproduktion braucht alles nur noch geglaubt werden. Alle Wirklichkeit steckt im Text an sich, nicht mehr in einem unabhängig von ihm überprüfbaren Bereich. Die Qualität des Textes misst sich bestenfalls an einer Ästhetik und nicht mehr an wahr oder falsch (mir sind die Adjektive eigentlich lieber als das Substantiv "Wahrheit").
Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)