Also für mich reichen "Status, Denkkraft und globale Präsenz" der letzten 50 Jahre der deutschsprachigen akademischen Philosophie völlig aus, um mich innerhalb der Möglichkeiten meiner eigenen Denkkraft damit zu beschäftigen.Wattiertes Denken#
Von Wolfram Eilenberger
Die deutschsprachige Philosophie ist in einem desolaten Zustand. Woran liegt das?
Die letzten Anfänge liegen mindestens 50 Jahre zurück. Und weit und breit niemand in Sicht, der es an Status, Denkkraft und globaler Präsenz mit den heute greisen Granden dieser Ära aufzunehmen wüsste.
http://www.zeit.de/2018/10/philosophie- ... nformismus
Zeit: Deutschsprachige akademische Philosophie: "irrelevante Selbstbespiegelung"?
- Jörn Budesheim
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Ich bin sehr zufrieden mit dem Angebot an deutschsprachiger Philosophie. Es ist viel mehr, als ich je lesen könnte. Ob Eilenberger mit seinen Vorwürfen damals Recht hatte, kann ich nicht beurteilen, aber meine eigenen Lesebedürfnisse sind davon nicht betroffen.
Im politischen Raum sind in den letzten Jahren die Stimmen derer lauter geworden, die gegen die "Elite" zu Felde ziehen. Die Politiker seien blind für die Lebenswirklichkeit des "wahren Volkes", das sie regieren. Sie säßen in ihren Abgeordnetenbüros, wären nur an der eigenen Karriereplanung interessiert und hätten für die Belange des Volkes keinen Sinn. Früher sei das besser gewesen. Da habe es noch Politiker wie Helmut Kohl und Helmut Schmidt gegeben, die den Lebensalltag der kleinen Leute gekannt hätten. Ihre Reden im Bundestag seien für jedermann verständlich gewesen. Der eine aß gerne Pfälzer Saumagen, der andere rauchte wie ein Schlot. Leute wie du und ich. Aus der Mitte des Volkes, Pragmatiker ohne intellektuelles Getue.
Eilenberger: Die akademische Philosophie hat sich gegenüber dem "lebendigen und realitätsgesättigtem Denken" entfremdet. Früher, da gab es in der Philosophie noch "Zauberer" wie Wittgenstein, Benjamin, Cassirer oder Heidegger und vor 50 Jahren wirkten immerhin noch die heute alt geworden Habermas, Flasch, Spaemann & Co. Aber heute? - Heute hocken die Philosophen in ihren Universitätsbüros und sind Gefangene ihrer Blase. Was sie schreiben liest kein Mensch mehr.
"Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss!"
Wolfram Eilenberger ist der Aiwanger des deutschen Feuilletons.
Eilenberger: Die akademische Philosophie hat sich gegenüber dem "lebendigen und realitätsgesättigtem Denken" entfremdet. Früher, da gab es in der Philosophie noch "Zauberer" wie Wittgenstein, Benjamin, Cassirer oder Heidegger und vor 50 Jahren wirkten immerhin noch die heute alt geworden Habermas, Flasch, Spaemann & Co. Aber heute? - Heute hocken die Philosophen in ihren Universitätsbüros und sind Gefangene ihrer Blase. Was sie schreiben liest kein Mensch mehr.
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Ganz im Gegenteil. Das ist keine Frage der Selbstüberschätzung , sondern gründet sich auf ein Makel . Dazu nur noch mal zur Erinnerung ..Nauplios hat geschrieben : ↑Mi 13. Dez 2023, 21:11Das ist genau die Selbstüberschätzung, die ich meine. Diese Form der Hemdsärmeligkeit ist in den philosophischen Foren, die ich kenne, an der Tagesordnung.Timberlake hat geschrieben : ↑Mi 13. Dez 2023, 20:24
Bücher von Jürgen Habermas, Robert Spaemann , Kurt Flasch kommen mir , bei aller Demut , an "kalten Tagen" jedenfalls nicht auf den Tisch.
Für jemanden wie mich, der von Hause aus für eine "hammerharte" Philosophie der Götzendämmerung ( Nietzsche) gestrickt ist , der weiß naturgemäß nur bedingt etwas mit Jürgen Habermas, Robert Spaemann oder Kurt Flasch an zu fangen. Umgekehrt übrigens vermutlich das gleiche. Was will ich damit sagen...Timberlake hat geschrieben : ↑Mi 13. Dez 2023, 20:24.. ganz meiner Meinung. Wobei und da bin ich mit mir durchaus selbstkritisch , dass das , was man zur Kenntnis nimmt mitunter bereits voher durch eine Unterscheidung beeinflußt wurde. Eine Unterscheidung gegründet auf dem , wie man denn von Hause aus gestrickt ist.Nauplios hat geschrieben : ↑Di 12. Dez 2023, 09:12Um eine solche Unterscheidung vornehmen zu können, muß man vorher zur Kenntnis genommen haben, was die Unterscheidung möglich macht. -Timberlake hat geschrieben : ↑Mo 11. Dez 2023, 22:03
Nach meiner Meinung sollte man bei dem, was man von der akademischen Philosophie zur Kenntnis nimmt, zwischen Relevanten und Irrelevanten zu unterscheiden wissen. Sozusagen gemäß Aschenputtel das Guten ins Töpfchen das Schlechte ins Kröpfchen.
- "Nachdem ich lange genug den Philosophen zwischen die Zeilen und auf die Finger gesehn habe, sage ich mir: man muß noch den größten Teil des bewußten Denkens unter die Instinkt-Tätigkeiten rechnen, und sogar im Falle des philosophischen Denkens; man muß hier umlernen, wie man in betreff der Vererbung und des »Angeborenen« umgelernt hat. So wenig der Akt der Geburt in dem ganzen Vor- und Fortgange der Vererbung in Betracht kommt: ebensowenig ist »Bewußt-sein« in irgendeinem entscheidenden Sinne dem Instinktiven entgegengesetzt, – das meiste bewußte Denken eines Philosophen ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen gezwungen"
Friedrich Nietzsche ... Von den Vorurteilen der Philosophen
..
Zuletzt geändert von Timberlake am Do 14. Dez 2023, 21:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Fragt sich nur hingerissen zu was ..
- "Der Wille zur Wahrheit, der uns noch zu manchem Wagnisse verführen wird, jene berühmte Wahrhaftigkeit, von der alle Philosophen bisher mit Ehrerbietung geredet haben: was für Fragen hat dieser Wille zur Wahrheit uns schon vorgelegt! Welche wunderlichen schlimmen fragwürdigen Fragen! Das ist bereits eine lange Geschichte – und doch scheint es, daß sie kaum eben angefangen hat? Was Wunder, wenn wir endlich einmal mißtrauisch werden, die Geduld verlieren, uns ungeduldig umdrehn?"
Friedrich Nietzsche ... Von den Vorurteilen der Philosophen
.. insofern mich diese traurigen Augen, gepaart mit Ratlosigkeit , Scham, Frustration über "den Betrieb" überhaupt nicht wundern. Wer will sich schon mit unbequemen Wahrheiten unbeliebt machen. Wahrheiten, die sich tatsächlich . so zumindest meine Meinung ... auf dem Gründen , wodurch Nietzsche in Verruf geraten ist , dem Biologismus. Beispiel: Was ist der Mensch ?Wattiertes Denken#
Von Wolfram Eilenberger
Die deutschsprachige Philosophie ist in einem desolaten Zustand. Woran liegt das?
Wer mit deutschen Philosophieprofessor(inn)en über den gegenwärtigen Zustand ihrer Disziplin spricht, blickt in traurige Augen. Ratlosigkeit paart sich mit Scham, Frustration über "den Betrieb" mit einem hierzulande wohl schon immer zunfttypischen Kulturpessimismus. Unbestreitbar ist: Die letzten Anfänge liegen mindestens 50 Jahre zurück. Und weit und breit niemand in Sicht, der es an Status, Denkkraft und globaler Präsenz mit den heute greisen Granden dieser Ära aufzunehmen wüsste. (Jürgen Habermas: 88 Jahre; Dieter Henrich: 91 Jahre; Robert Spaemann: 90 Jahre; Kurt Flasch: 87 Jahre – selbst das ewige Enfant terrible Peter Sloterdijk hat die 70 mittlerweile überschritten.)
http://www.zeit.de/2018/10/philosophie- ... nformismus
Ich kenne die aktuellen Trends diesbezüglich nicht, weil es mich ehrlich gesagt auch nicht sonderlich interessiert. Wahrscheinlich ist es unter anderem auch hauptsächlich eine Frage der Perspektive à la "Wie man in den Wald hineinsieht, so schaut er aus", oder so. Ob jetzt eine Zeit des allgemeinen Herabsinkens ist (etwa "Wer folgt den alten Charismatikern nach?"), oder des Aufbruchs (z.B. "Neuer Realismus") - ich kann es nicht beurteilen. In meinen Interessensgebieten finde ich noch genügend "Futter".
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1+1=3 hat geschrieben : ↑Do 14. Dez 2023, 21:51Ich kenne die aktuellen Trends diesbezüglich nicht, weil es mich ehrlich gesagt auch nicht sonderlich interessiert. Wahrscheinlich ist es unter anderem auch hauptsächlich eine Frage der Perspektive à la "Wie man in den Wald hineinsieht, so schaut er aus", oder so. Ob jetzt eine Zeit des allgemeinen Herabsinkens ist (etwa "Wer folgt den alten Charismatikern nach?"), oder des Aufbruchs (z.B. "Neuer Realismus") - ich kann es nicht beurteilen. In meinen Interessensgebieten finde ich noch genügend "Futter".
Was sind denn deine Interessensgebieten . Die derzeitige deutschsprachige akademische Philosophie kommt für dich offenbar nicht als Futter in Frage . Was im Übrigen das Thema dieses Threads , was zumindest dich betrifft , zu bestätigen scheint.
Ganz meiner Meinung . Deshalb weil (womöglich unbewusst) sprach Nietzsche auch davon , dass ... ich zitiere .. der größten Teil des bewußten Denkens unter die Instinkt-Tätigkeiten zu rechnen ist. Auch und insbesondere das bewußte Denken eines Philosophen. Wie gesagt , ich bin da keine Ausnahme
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Wahrheit und Wahrhaftigkeit wären besser dran, wenn weniger emotionales Fieber als eine gewisse Nüchternheit im Spiel wäre. Ein Hans Albert im nietzscheanischen Gefühlsaufruhr? Ein Widerspruch in sich. Gleiches gilt auch für den von dir geschmähten Kurt Flasch, der im Sloterdijk'schen Jargon ein Bild der Lächerkeit abgäbe.Timberlake hat geschrieben : ↑Do 14. Dez 2023, 21:17
Wenn ich denn etwas bei den Philosophen derzeit vermisse, dann eben diesen Willen, dieses Hingerissen sein zur Wahrhaftigkeit und zur Wahrheit.
Deswegen halte ich mich schon lange überwiegend an die Angelsachsen. Schon weil bei denen Klarheit des ausgedrückten Gedankens kein Malus ist.
Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)
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Nur mal zur Info , bei wem sich "Hans Albert im nietzscheanischen Gefühlsaufruhr" angesteckt hat ..Lucian Wing hat geschrieben : ↑Fr 15. Dez 2023, 12:59Wahrheit und Wahrhaftigkeit wären besser dran, wenn weniger emotionales Fieber als eine gewisse Nüchternheit im Spiel wäre. Ein Hans Albert im nietzscheanischen Gefühlsaufruhr?Timberlake hat geschrieben : ↑Do 14. Dez 2023, 21:17
Wenn ich denn etwas bei den Philosophen derzeit vermisse, dann eben diesen Willen, dieses Hingerissen sein zur Wahrhaftigkeit und zur Wahrheit.
Keine Frage , wenn es um dieses emotionale Fieber des Wolfram Eilenberger geht , dass sich dessen Ansteckungsgefahr danach bemisst , wie man selbst dagegen Immun ist. Ich , mit meiner diesbezüglich doch sehr geschwächten Immunabwehr , habe da sicherlich ganz schlechte Karten.Dia_Logos hat geschrieben : ↑Sa 10. Mär 2018, 08:08Nach seiner Einschätzung gibt es zu viele Texte „zu vorgestanzten Fragen in vorgestanzter Sprache“, die zu Recht niemand liest. Irrelevant ist die Universitätsphilosophie nach Auffassung von Eilenberger, weil sie auf die großen Gegenwartsfragen wie Klimawandel, Künstliche Intelligenz oder Gentechnik keine Antworten habe. Daher befinde sich deutschsprachige Philosophie nach Eilenberger in einem Zustand völliger Stagnation und „erlebt derzeit ihren geschichtlich schwächsten Moment“. Die letzten deutschsprachigen Denker von Rang und Bedeutung seien längst hochbetagt.Wattiertes Denken#
Von Wolfram Eilenberger
Die deutschsprachige Philosophie ist in einem desolaten Zustand. Woran liegt das?
Wer mit deutschen Philosophieprofessor(inn)en über den gegenwärtigen Zustand ihrer Disziplin spricht, blickt in traurige Augen. Ratlosigkeit paart sich mit Scham, Frustration über "den Betrieb" mit einem hierzulande wohl schon immer zunfttypischen Kulturpessimismus. Unbestreitbar ist: Die letzten Anfänge liegen mindestens 50 Jahre zurück. Und weit und breit niemand in Sicht, der es an Status, Denkkraft und globaler Präsenz mit den heute greisen Granden dieser Ära aufzunehmen wüsste. (Jürgen Habermas: 88 Jahre; Dieter Henrich: 91 Jahre; Robert Spaemann: 90 Jahre; Kurt Flasch: 87 Jahre – selbst das ewige Enfant terrible Peter Sloterdijk hat die 70 mittlerweile überschritten.)
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Möglicherweise sollte ich mich zur Stärkung dieser Abwehr gleichfalls überwiegend an die Angelsachsen halten. Nur dazu müsste ich schon wissen , was es damit auf sich hat. "Klarheit des ausgedrückten Gedankens" hört sich schon mal sehr gut an.Lucian Wing hat geschrieben : ↑Fr 15. Dez 2023, 12:59Deswegen halte ich mich schon lange überwiegend an die Angelsachsen. Schon weil bei denen Klarheit des ausgedrückten Gedankens kein Malus ist.