Reinhart Koselleck
Apropos Carl Schmitt: Die Freund/Feind-Unterscheidung ist für Schmitt "die spezifische politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen." (Der Begriff des Politischen; S. 26)
"Wir müssen kriegstüchtig werden ..."
(Boris Pistorius)
"Wir müssen kriegstüchtig werden ..."
(Boris Pistorius)
Ja, nur ist der Fall Heidegger ein anderer als der "Fall Koselleck". Und nochmal anders sind die Fälle Carl Schmitt und Erich Rothacker und wieder anders ist der Fall Jauß ...Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 17. Feb 2024, 16:38Im Fall Heidegger äußert sie sich dazu sehr ausführlich in dem von mir verlinkten Vortrag. Dort erläutert sie, warum aus ihrer Sicht Textpassagen allein aus dem zeitlichen Kontext zu verstehen sind und im Zusammenhang z.B. mit Briefen, die er geschrieben hat, gelesen werden müssen.
Philosophen haben nicht aufgrund ihrer Profession eine besondere Begabung für's Politische. Das fängt in Syrakus an und setzt sich fort bis Todtnauberg.
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Das mag schon sein, aber in dem Vortrag erläutert sie eben, was es ihrer Ansicht nach heißt, zwischen den Zeilen zu lesen und die je indirekte Sprache zu deuten.
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Dem gegenüber steht die These von Sidonie Kellerer:
Sidonie Kellerer hat geschrieben : Vor zwei Jahren erklärte [der rechtsextreme Stratege] Sellner, es gehe darum, sich vor allem innerhalb der Geisteswissenschaften durchzusetzen: Die „Quelle der Beherrschung der Diskurse“ liege in den Universitäten. Er fügte hinzu: „Sich die Universität anzueignen läuft darauf hinaus, sich die Geisteswissenschaften anzueignen.“ Wie sich diese schleichende Eroberung seit den frühen 1950er Jahren vollzogen hat und bis heute vollzieht, soll im Folgenden an den Beispielen des als Philosoph geltenden Martin Heidegger und des Historikers Reinhart Koselleck veranschaulicht werden.
"Ebenso widerspruchslos druckte Suhrkamp den bereits erwähnten Vortrag, den Koselleck 1968 in Ebrach zu Ehren Schmitts gehalten hatte." (Sidonie Kellerer)
Der Suhrkamp-Verlag macht sich also zu einem Steigbügelhalter für rechtsradikales Gedankengut? Er druckt "widerspruchslos"? Hatten seine Lektoren nicht "zwischen den Zeilen" gelesen?
Meine Ausgabe von "Kritik und Krise" stammt aus dem Jahre 1976 (die Originalausgabe war 1959 erschienen). Auf der Rückseite des Buchumschlags steht: "Das ist die bedeutende Leistung, die dieses Buch für die Zeit bis 1789 erbringt: Die großen Gestalten der Aufklärung, Namen wie Hobbes und Locke, Voltaire und Turgot, Rousseau und Raynal, aber auch Lessing, Kant und Schiller erscheinen in einem Licht, das schärfer ist als das der 'lumière', und eine Aufklärung potenzierten Grades leuchtet in die Arcana und die Geheimnisse, die Distinktionen und die Schlupfwinkel der indirektesten Gewalten." - Entnommen ist der Text der Rezensionszeitschrift Das Historisch-Politische Buch.
Haben die Rezensenten, die Lektoren, die Herausgeber ... haben sie allesamt das "rechtsradikale Gedankengut" Kosellecks nicht bemerkt? - Ausgerechnet der Suhrkamp-Verlag, der die Schriften von Brecht, Adorno, Marcuse, Bloch, Habermas ... verlegte.
"1944 schließlich wurde er [Peter Suhrkamp] angeklagt wegen Landesverrat und Hochverrat, ins KZ Sachsenhausen eingewiesen." (aus dem Link oben)
"Hermann Hesse zählte deshalb Suhrkamp mit Recht zum 'geistigen Widerstand' Deutschlands." (aus dem Link oben)
Widerstand gegenüber den Nazis, aber widerspruchslos gegenüber Kosellecks "rechtsradikalem Gedankengut"?
Der Suhrkamp-Verlag macht sich also zu einem Steigbügelhalter für rechtsradikales Gedankengut? Er druckt "widerspruchslos"? Hatten seine Lektoren nicht "zwischen den Zeilen" gelesen?
Meine Ausgabe von "Kritik und Krise" stammt aus dem Jahre 1976 (die Originalausgabe war 1959 erschienen). Auf der Rückseite des Buchumschlags steht: "Das ist die bedeutende Leistung, die dieses Buch für die Zeit bis 1789 erbringt: Die großen Gestalten der Aufklärung, Namen wie Hobbes und Locke, Voltaire und Turgot, Rousseau und Raynal, aber auch Lessing, Kant und Schiller erscheinen in einem Licht, das schärfer ist als das der 'lumière', und eine Aufklärung potenzierten Grades leuchtet in die Arcana und die Geheimnisse, die Distinktionen und die Schlupfwinkel der indirektesten Gewalten." - Entnommen ist der Text der Rezensionszeitschrift Das Historisch-Politische Buch.
Haben die Rezensenten, die Lektoren, die Herausgeber ... haben sie allesamt das "rechtsradikale Gedankengut" Kosellecks nicht bemerkt? - Ausgerechnet der Suhrkamp-Verlag, der die Schriften von Brecht, Adorno, Marcuse, Bloch, Habermas ... verlegte.
"1944 schließlich wurde er [Peter Suhrkamp] angeklagt wegen Landesverrat und Hochverrat, ins KZ Sachsenhausen eingewiesen." (aus dem Link oben)
"Hermann Hesse zählte deshalb Suhrkamp mit Recht zum 'geistigen Widerstand' Deutschlands." (aus dem Link oben)
Widerstand gegenüber den Nazis, aber widerspruchslos gegenüber Kosellecks "rechtsradikalem Gedankengut"?
Jetzt mal unabhängig von der Person Koselleck sollten nicht bei allen die Warnlampen angehen, wenn die Autorin beschreibt, wie die Rechte vorgehen bzw. vorgehen wollen?
"Anknüpfend an Gramsci propagiert heute der rechtsextreme Stratege Martin Sellner einen „Staffellauf der metapolitischen Pionierarbeit“, da die Eroberung der Macht weder aus den Gewehrläufen komme noch in den Parlamenten erfolge, sondern auf kultureller Hegemonie beruhe: „Wir sind alle rechte Gramscianer bis zu einem gewissen Grad in unserer Konzeption von Macht.“ Es handelt sich dabei um eine Aneignung von rechts, die das Denken des Gegners aushöhlt, indem sie dessen Methode nur der Form nach gelten lässt und dessen emanzipatorische Prämissen über Bord wirft. "
"Vor zwei Jahren erklärte Sellner, es gehe darum, sich vor allem innerhalb der Geisteswissenschaften durchzusetzen: Die „Quelle der Beherrschung der Diskurse“ liege in den Universitäten. Er fügte hinzu: „Sich die Universität anzueignen läuft darauf hinaus, sich die Geisteswissenschaften anzueignen.“
"Wir Rechten“, so formuliert es heute Björn Höckes geistige Souffleuse Götz Kubitschek, „stürmen Sprach- und Denkblockaden“ und dadurch wird „das Unsagbare sagbar“. „Begriffe, Ideen und Narrative“ müssten „gezielt besetzt und umgedeutet werden“, so formuliert es der Neonazi Mario Müller. Gerd-Klaus Kaltenbrunner, rechtsradikaler Vordenker, formulierte das in den 1960er Jahren so: „Wer heute die Begriffe besetzt, übt morgen die Macht aus.“ Begriffsbesetzung und -umdeutung, Umkehr der Werte, Unterwanderung der Grundlagen kritischen Denkens – das sind wesentliche Aspekte rechtsradikaler metapolitischer Strategie zur Durchsetzung von Deutungshoheit im öffentlichen Raum. "
Das ist gruselig, und sind wir bzw. die Wissenschaften darauf vorbereitet?
"Anknüpfend an Gramsci propagiert heute der rechtsextreme Stratege Martin Sellner einen „Staffellauf der metapolitischen Pionierarbeit“, da die Eroberung der Macht weder aus den Gewehrläufen komme noch in den Parlamenten erfolge, sondern auf kultureller Hegemonie beruhe: „Wir sind alle rechte Gramscianer bis zu einem gewissen Grad in unserer Konzeption von Macht.“ Es handelt sich dabei um eine Aneignung von rechts, die das Denken des Gegners aushöhlt, indem sie dessen Methode nur der Form nach gelten lässt und dessen emanzipatorische Prämissen über Bord wirft. "
"Vor zwei Jahren erklärte Sellner, es gehe darum, sich vor allem innerhalb der Geisteswissenschaften durchzusetzen: Die „Quelle der Beherrschung der Diskurse“ liege in den Universitäten. Er fügte hinzu: „Sich die Universität anzueignen läuft darauf hinaus, sich die Geisteswissenschaften anzueignen.“
"Wir Rechten“, so formuliert es heute Björn Höckes geistige Souffleuse Götz Kubitschek, „stürmen Sprach- und Denkblockaden“ und dadurch wird „das Unsagbare sagbar“. „Begriffe, Ideen und Narrative“ müssten „gezielt besetzt und umgedeutet werden“, so formuliert es der Neonazi Mario Müller. Gerd-Klaus Kaltenbrunner, rechtsradikaler Vordenker, formulierte das in den 1960er Jahren so: „Wer heute die Begriffe besetzt, übt morgen die Macht aus.“ Begriffsbesetzung und -umdeutung, Umkehr der Werte, Unterwanderung der Grundlagen kritischen Denkens – das sind wesentliche Aspekte rechtsradikaler metapolitischer Strategie zur Durchsetzung von Deutungshoheit im öffentlichen Raum. "
Das ist gruselig, und sind wir bzw. die Wissenschaften darauf vorbereitet?
Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
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- Jörn Budesheim
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In den Kulturwissenschaften gibt es solche Positionen, wie sie Nida-Rümelin in seinem Buch unaufgeregter Realismus skizziert, sicher noch. Nach meinem Gefühl ist aber die Philosophie dabei, wichtige Begriffe und Positionen wieder zurückzugewinnen. Vernunft z.B wird heute, glaube ich, nicht mehr generell verteufelt. Das gleiche gilt für Begriffe wie Wahrheit, Gut und Böse.Julian Nida-Rümelin hat geschrieben : Anti-realistische Positionen im Rahmen der postmodern geprägten Geistes- und Kulturwissenschaften in den USA und anderen Ländern höhlen das Wissenschaftsethos ebenfalls aus.
- Lucian Wing
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Da schaust du einfach mal unterm Stichwort "agonale Demokratie" in einem der Handbücher aus den Politikwissenschaften nach. Dort findest du dann auch Chantal Mouffe, die auf Schmitt und Gramsci gestützt ihr agonales Konzept der "Demokratie" verkauft, im Gegensatz zu Sellner aber weitgehend unbehelligt davonkommt. Wie sind nun die Wissenschaften auf sie vorbereitet? Jedenfalls hat sich Ingo Elbe im Gegensatz zu Frau Kellerer ein bisschen Mühe gegeben zu zeigen, was faul sein könnte.Stefanie hat geschrieben : ↑Sa 17. Feb 2024, 20:21Jetzt mal unabhängig von der Person Koselleck sollten nicht bei allen die Warnlampen angehen, wenn die Autorin beschreibt, wie die Rechte vorgehen bzw. vorgehen wollen?
"Anknüpfend an Gramsci propagiert heute der rechtsextreme Stratege Martin Sellner einen „Staffellauf der metapolitischen Pionierarbeit“, da die Eroberung der Macht weder aus den Gewehrläufen komme noch in den Parlamenten erfolge, sondern auf kultureller Hegemonie beruhe: „Wir sind alle rechte Gramscianer bis zu einem gewissen Grad in unserer Konzeption von Macht.“ Es handelt sich dabei um eine Aneignung von rechts, die das Denken des Gegners aushöhlt, indem sie dessen Methode nur der Form nach gelten lässt und dessen emanzipatorische Prämissen über Bord wirft. "
"Vor zwei Jahren erklärte Sellner, es gehe darum, sich vor allem innerhalb der Geisteswissenschaften durchzusetzen: Die „Quelle der Beherrschung der Diskurse“ liege in den Universitäten. Er fügte hinzu: „Sich die Universität anzueignen läuft darauf hinaus, sich die Geisteswissenschaften anzueignen.“
"Wir Rechten“, so formuliert es heute Björn Höckes geistige Souffleuse Götz Kubitschek, „stürmen Sprach- und Denkblockaden“ und dadurch wird „das Unsagbare sagbar“. „Begriffe, Ideen und Narrative“ müssten „gezielt besetzt und umgedeutet werden“, so formuliert es der Neonazi Mario Müller. Gerd-Klaus Kaltenbrunner, rechtsradikaler Vordenker, formulierte das in den 1960er Jahren so: „Wer heute die Begriffe besetzt, übt morgen die Macht aus.“ Begriffsbesetzung und -umdeutung, Umkehr der Werte, Unterwanderung der Grundlagen kritischen Denkens – das sind wesentliche Aspekte rechtsradikaler metapolitischer Strategie zur Durchsetzung von Deutungshoheit im öffentlichen Raum. "
Das ist gruselig, und sind wir bzw. die Wissenschaften darauf vorbereitet?
https://www.rote-ruhr-uni.com/cms/IMG/p ... ont_2_.pdf
Falls der Link nicht funktioniert, das PDF steht hier:
https://www.rote-ruhr-uni.com/cms/texte ... -querfront
Nur damit nicht immer bloß eine Warnlampe angeht.
Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)
Nur zur Klarstellung: Die Wendung "im Falle xy" sollte gerade keinen "Fall X" insinuieren, sondern bloß auf das betreffenden Thema verweisen. Wie gesagt, ich kann es in diesem Falle nicht beurteilen; mir sind lediglich einige andere "Fälle" (hier meine ich es tatsächlich so) bekannt, wo es ähnlich, aber "eindeutiger" (ist eindeutig steigerungsfähig?) war.
- Jörn Budesheim
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Wenn man sich den Vortrag von Sidonie Kellerer anhört, dann sieht man, wie viel "Mühe" sie sich mit ihren Analysen gemacht hat, ob man ihr jetzt zustimmt oder nicht, man findet detaillierte Analysen von Paratext, Intertext, Kontext, Subtext und Metatext.Lucian Wing hat geschrieben : ↑Sa 17. Feb 2024, 21:22Jedenfalls hat sich Ingo Elbe im Gegensatz zu Frau Kellerer ein bisschen Mühe gegeben
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Die Warnlampe ist für die liberale Demokratie angegangen. Elbe ist, wie man über ihn nachlesen kann, selbst dezidiert links. Große Teile der Vertreter der "agonalen Demokratie" können mit ihr nichts anfangen und haben sich ihrer Demaskierung und Delegitimierung verschrieben. Ihre Schriften werden fleißig an den Unis rezipiert, ohne dass jemand sich viel Gedanken über entsprechenden "Paratext, Intertext, Kontext, Subtext und Metatext" macht. Nauplios hat oben schon darauf hingewiesen, dass Philosophen keine natürliche Affinität zum Politischen haben, was man von Syrakus bis zum Todtnauberg sehen könne. Man kann hier getrost auch den Ausflug nach Teheran mit Wortmeldung hinzufügen (Foucault).
George Steiner hat sich, wohlwissend um die Unmöglichkeit, eine Stadt des Primären als Festung gegen den sekundären Diskurs gewünscht. Was Kellerer betreibt, ist der tertiäre oder gar schon quartäre Diskurs. Sprechen über das, was man auf der Basis eines Sollens und Wollens hineinliest. Philosophie als Richten.
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Hast du außer der bloßen Behauptung irgendwelche Argumente dafür?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 18. Feb 2024, 09:23Sprechen über das, was man auf der Basis eines Sollens und Wollens hineinliest. Philosophie als Richten.
- Lucian Wing
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Schau mal auf den Strangtitel: Ich wollte Argumente dafür, warum Leser von Koselleck ihn im Kontext von Sellner (der seine Ansätze aus den gleichen Quellen wie etwa Mouffe/Laclau schöpft) lesen sollen. An Heidegger bin ich nicht so interessiert, ich kenne fast alles seit dem Buch von Ott und hab genug davon. Aber was an Koselleck dran sein soll, das bleibt Kellerer nun einmal schuldig. Und danach habe ich gefragt.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 18. Feb 2024, 09:30Hast du außer der bloßen Behauptung irgendwelche Argumente dafür?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 18. Feb 2024, 09:23Sprechen über das, was man auf der Basis eines Sollens und Wollens hineinliest. Philosophie als Richten.
Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)
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Und, hast du nun für deine Behauptungen irgendwelche Argumente oder nicht? Ich glaube, du hast dich im falschen Forum verirrt.
Mein erster Impuls war, daß es kaum vorstellbar ist, daß die Wissenschaften für die rechtsextremistischen Botschaften eines Sellner oder eines Kubitschek anfällig sein könnten. Allerdings zeigt der Aufstieg des Nationalsozialismus, daß Teile der Geisteswissenschaften durchaus durch dessen völkische Ideologie enthusiasmierbar waren. Die Vorgeschichte dieser Entwicklung führt in den deutschen Konservatismus der 20er Jahre. Dieser "Professorenkonservatismus" war im Kern antiliberal und antidemokratisch.Stefanie hat geschrieben : ↑Sa 17. Feb 2024, 20:21Jetzt mal unabhängig von der Person Koselleck sollten nicht bei allen die Warnlampen angehen, wenn die Autorin beschreibt, wie die Rechte vorgehen bzw. vorgehen wollen?
"Anknüpfend an Gramsci propagiert heute der rechtsextreme Stratege Martin Sellner einen „Staffellauf der metapolitischen Pionierarbeit“, da die Eroberung der Macht weder aus den Gewehrläufen komme noch in den Parlamenten erfolge, sondern auf kultureller Hegemonie beruhe: „Wir sind alle rechte Gramscianer bis zu einem gewissen Grad in unserer Konzeption von Macht.“ Es handelt sich dabei um eine Aneignung von rechts, die das Denken des Gegners aushöhlt, indem sie dessen Methode nur der Form nach gelten lässt und dessen emanzipatorische Prämissen über Bord wirft. "
"Vor zwei Jahren erklärte Sellner, es gehe darum, sich vor allem innerhalb der Geisteswissenschaften durchzusetzen: Die „Quelle der Beherrschung der Diskurse“ liege in den Universitäten. Er fügte hinzu: „Sich die Universität anzueignen läuft darauf hinaus, sich die Geisteswissenschaften anzueignen.“
"Wir Rechten“, so formuliert es heute Björn Höckes geistige Souffleuse Götz Kubitschek, „stürmen Sprach- und Denkblockaden“ und dadurch wird „das Unsagbare sagbar“. „Begriffe, Ideen und Narrative“ müssten „gezielt besetzt und umgedeutet werden“, so formuliert es der Neonazi Mario Müller. Gerd-Klaus Kaltenbrunner, rechtsradikaler Vordenker, formulierte das in den 1960er Jahren so: „Wer heute die Begriffe besetzt, übt morgen die Macht aus.“ Begriffsbesetzung und -umdeutung, Umkehr der Werte, Unterwanderung der Grundlagen kritischen Denkens – das sind wesentliche Aspekte rechtsradikaler metapolitischer Strategie zur Durchsetzung von Deutungshoheit im öffentlichen Raum. "
Das ist gruselig, und sind wir bzw. die Wissenschaften darauf vorbereitet?
"Der Unterschied von Geist und Politik enthält den von Kultur und Zivilisation, von Seele und Gesellschaft, von Freiheit und Stimmrecht, von Kunst und Literatur; und Deutschtum, das ist Kultur, Seele, Freiheit, Kunst und nicht Zivilisation, Gesellschaft, Stimmrecht, Literatur", schrieb Thomas Mann in der Vorrede zu seinen Betrachtungen eines Unpolitischen.
Der Nährboden für die intellektuelle Salonfähigkeit der Nazi-Ideologie wurde u.a. von Leuten wie Carl Schmitt, Ernst Jünger, Ludwig Klages, Hans Freyer, Oswald Spengler, Otmar Spann u.a. bestellt. - Auf deren Schriften beziehen sich die Sellners und Kubitscheks der Neuen Rechten zum Aufbau eines auch intellektuell satisfaktionsfähigen Weltbildes.
Gestern demonstrierten in Münster 30.000 Menschen gegen die AfD. Vor dem Paulus-Dom wehten Europaflaggen. - "EUROPA muß jeschaffen werden." (Konrad Adenauer)
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.. glücklicherweise. Entziehen sie sich doch nicht zuletzt eben deshalb der Gefahr , von daher beschossen zu werden. Gleichwohl man von diesen Philosophen eben deshalb dazu auch nicht sehr viel erwarten darf . Quasi ein dialektischer Gegensatz ganz im Sinne Hegels. Wenngleich ich dem diesbezüglich "Das Gesetz von der Einheit und dem „Kampf“ der Gegensätze" des dialektische Materialismus allemal vorziehen würde.Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 18. Feb 2024, 09:23. Nauplios hat oben schon darauf hingewiesen, dass Philosophen keine natürliche Affinität zum Politischen haben,
Noch ein Zitat aus dem philomag Artikel:
"Heidegger und Koselleck sind fester Bestandteil des rechtsradikalen Lektürerepertoires. In einem 2010 in der neurechten Zeitung Junge Freiheit publizierten Beitrag evozierte Karlheinz Weißmann – ein Schüler des rechtsextremen Vordenkers Armin Mohler – den „Zwang“, der darin bestehe, „sich in bestimmten Fragen bedeckt zu halten, so daß die eigentliche Auffassung nur ‚per exclusionem‘ […] faßbar wird, durch Wahrnehmung dessen, was man nicht sagt. Das Buch Krise und Kritik (1959) [sic] des Historikers Koselleck […] kann man als Extrembeispiel für dieses Verfahren ansehen“. Ein Jahr später lobte Weißmann Koselleck für seine Anpassungsfähigkeit an den Feind, für seine Fähigkeit, „in den siebziger und achtziger Jahren stets, bei der intellektuellen Linken den Eindruck zu erwecken, daß er dazugehöre“.
Ob nun oder ob nicht Koselleck bewusst in seinen Schriften eine "rechte" Lehre eingebaut hat, sei auch Mal wieder hinten angestellt. Koselleck Anhänger sollten bei diesem Zitat zusammen zucken. Denn es wird doch deutlich, dass die Rechten ihn schon vereinnahmt haben.Soll das so stehen bleiben, wenn die Annahme von Kellerer nicht stimmt? Ergo muss man sich damit beschäftigen.
Wird es das? Sieht aus, als nicht.
Weil die Autorin vielleicht nicht ernst genommen wird? Die übrigens aus der selben Altersliga wie Herr Elbe kommt. Im Moment scheint man mehr darüber empört zu sein, dass die Autorin sich an einem angesehen Wissenschaftler vergreift.
Oder ist es immer noch so, dass linke Umdeutungen als gefährlich angesehen und die von der rechten Seite nicht? Merz sah und sieht als seine Hauptgegner die Grünen und die Linken an.
Klar sollte aber jetzt sein, dass es die AFD ist.
Der Artikel ist eine Warnung, so oder so, man sollte das nicht ignorieren.
"Heidegger und Koselleck sind fester Bestandteil des rechtsradikalen Lektürerepertoires. In einem 2010 in der neurechten Zeitung Junge Freiheit publizierten Beitrag evozierte Karlheinz Weißmann – ein Schüler des rechtsextremen Vordenkers Armin Mohler – den „Zwang“, der darin bestehe, „sich in bestimmten Fragen bedeckt zu halten, so daß die eigentliche Auffassung nur ‚per exclusionem‘ […] faßbar wird, durch Wahrnehmung dessen, was man nicht sagt. Das Buch Krise und Kritik (1959) [sic] des Historikers Koselleck […] kann man als Extrembeispiel für dieses Verfahren ansehen“. Ein Jahr später lobte Weißmann Koselleck für seine Anpassungsfähigkeit an den Feind, für seine Fähigkeit, „in den siebziger und achtziger Jahren stets, bei der intellektuellen Linken den Eindruck zu erwecken, daß er dazugehöre“.
Ob nun oder ob nicht Koselleck bewusst in seinen Schriften eine "rechte" Lehre eingebaut hat, sei auch Mal wieder hinten angestellt. Koselleck Anhänger sollten bei diesem Zitat zusammen zucken. Denn es wird doch deutlich, dass die Rechten ihn schon vereinnahmt haben.Soll das so stehen bleiben, wenn die Annahme von Kellerer nicht stimmt? Ergo muss man sich damit beschäftigen.
Wird es das? Sieht aus, als nicht.
Weil die Autorin vielleicht nicht ernst genommen wird? Die übrigens aus der selben Altersliga wie Herr Elbe kommt. Im Moment scheint man mehr darüber empört zu sein, dass die Autorin sich an einem angesehen Wissenschaftler vergreift.
Oder ist es immer noch so, dass linke Umdeutungen als gefährlich angesehen und die von der rechten Seite nicht? Merz sah und sieht als seine Hauptgegner die Grünen und die Linken an.
Klar sollte aber jetzt sein, dass es die AFD ist.
Der Artikel ist eine Warnung, so oder so, man sollte das nicht ignorieren.
Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
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Bei all dem Gehabe um Koselleck , muss man sich da noch darüber wudern, dass Philosophen keine natürliche Affinität zum Politischen haben ?Stefanie hat geschrieben : ↑So 18. Feb 2024, 19:06...
Ob nun oder ob nicht Koselleck bewusst in seinen Schriften eine "rechte" Lehre eingebaut hat, sei auch Mal wieder hinten angestellt. Koselleck Anhänger sollten bei diesem Zitat zusammen zucken. Denn es wird doch deutlich, dass die Rechten ihn schon vereinnahmt haben.Soll das so stehen bleiben, wenn die Annahme von Kellerer nicht stimmt? Ergo muss man sich damit beschäftigen.
Wird es das? Sieht aus, als nicht.
Weil die Autorin vielleicht nicht ernst genommen wird? Die übrigens aus der selben Altersliga wie Herr Elbe kommt. Im Moment scheint man mehr darüber empört zu sein, dass die Autorin sich an einem angesehen Wissenschaftler vergreift.
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Bestimmt wird man sich auch bald mit Blumenberg beschäftigen. Als mich am Donnerstag oder Freitag jemand auf ein neurechtes Jugendmagazin namens "Blaue Narzisse" aufmerksam machte und ich nachgeschaut habe, hat dort (auf der Startseite nachzulesen) einer der Autoren im Anschluss an Blumenbergs Präfigurations-Theorie ("Hans Blumenberg und die politische Strategie der Präfiguration") den Philosophen tagespolitisch verarbeitet.Stefanie hat geschrieben : ↑So 18. Feb 2024, 19:06Noch ein Zitat aus dem philomag Artikel:
"Heidegger und Koselleck sind fester Bestandteil des rechtsradikalen Lektürerepertoires. In einem 2010 in der neurechten Zeitung Junge Freiheit publizierten Beitrag evozierte Karlheinz Weißmann – ein Schüler des rechtsextremen Vordenkers Armin Mohler – den „Zwang“, der darin bestehe, „sich in bestimmten Fragen bedeckt zu halten, so daß die eigentliche Auffassung nur ‚per exclusionem‘ […] faßbar wird, durch Wahrnehmung dessen, was man nicht sagt. Das Buch Krise und Kritik (1959) [sic] des Historikers Koselleck […] kann man als Extrembeispiel für dieses Verfahren ansehen“. Ein Jahr später lobte Weißmann Koselleck für seine Anpassungsfähigkeit an den Feind, für seine Fähigkeit, „in den siebziger und achtziger Jahren stets, bei der intellektuellen Linken den Eindruck zu erwecken, daß er dazugehöre“.
Ob nun oder ob nicht Koselleck bewusst in seinen Schriften eine "rechte" Lehre eingebaut hat, sei auch Mal wieder hinten angestellt. Koselleck Anhänger sollten bei diesem Zitat zusammen zucken. Denn es wird doch deutlich, dass die Rechten ihn schon vereinnahmt haben.Soll das so stehen bleiben, wenn die Annahme von Kellerer nicht stimmt? Ergo muss man sich damit beschäftigen.
Wird es das?
Die Rechte liest eben und wird alles, was in ihr Konzept passt, entsprechend in ihrem Sinne deuten. Die philosophische Frage ist doch dann: deuten die das korrekt oder missdeuten die das? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum? Notfalls, so denke ich, ließe sich auch Marquard mit seinen Einlassungen gegen Habermas Diskurstheorie oder seiner Verteidigung des common sense und der Usualitäten als anschlussfähig interpretieren.
Da wird also noch viel Zucken zu erwarten sein. Wobei man einen garantiert unverwurstbaren Philosophen paraphrasieren könnte: Wenn ein philosophisches Buch und ein Kopf zusammenprallen und es klingt rechts, liegts dann allemal am Buch?
Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)