Gesprächsmaximen nach Grice

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Quk
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Do 14. Mär 2024, 20:20

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 19:12
Vielleicht verstehe ich das falsch, aber in einer guten Kommunikation versuche ich neutral zu sein und nicht meine Zuhörer von etwas zu überzeugen.
Die Maxime will nicht, dass Du vom Sprecher überzeugt wirst, sondern dass Du des Sprechers Überzeugung verstehst.

Ich verstehe die Überzeugungen der Christen, ich teile sie aber nicht.




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Jörn Budesheim
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Do 14. Mär 2024, 20:25

Quk hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 20:20
Überzeugung
Der Begriff "Überzeugung" ist hier, wie so oft in der Philosophie, nicht im emphatischen Sinne ("ich bin der festen Überzeugung, dass...") gemeint, wie er im Alltag oft verwendet wird. Eine Überzeugung in dem technischen Sinne, wie er im Text verwendet wird, ist einfach etwas, was wir für wahr halten, z.B. dass vor mir gerade eine Tablet steht, auf das ich diesen Text spreche.




Nauplios

Do 14. Mär 2024, 21:51

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 19:12

Wieso sollte der Hörer die Überzeugung erfassen, die der Sprecher mitteilen möchte?
Der Einwand ist berechtigt. Ich vermute, daß Du damit nicht meinst, daß der Hörer die Überzeugung des Sprechers am Ende teilt; sondern daß Du den Gedanken meinst, den der Sprecher äußert und der nun vom Hörer verstanden wird. Und da stellt sich natürlich die Frage: Wann ist er denn verstanden? - Verstanden ist er dann, wenn das vom Sprecher Geäußerte vom Hörer so verstanden wird, wie es vom Sprecher gemeint war. Falls nicht, lassen sich Korrekturschlaufen in die Kommunikation einbinden, an deren Ende dann zum Beispiel der Hörer sagen könnte: "Ach so hast du das gemeint. Jetzt verstehe ich dich. Na, dann sag' das doch gleich."

Ich kenne Grice nur von seinen Maximen her, deswegen hier nur ein zarter Einwand: Liegt diesen Maximen ein theoretisch ausgearbeiteter und belastbarer Kommunikationsbegriff zugrunde? Er hat einiges über Konversation geschrieben, das ich allerdings nicht kenne. Oder geht in diesen Kommunikationsbegriff das Alltagsverständnis ein? - Dieses Alltagsverständnis läuft ja darauf hinaus, daß die Kommunikation in dem Moment beginnt, in dem der Sprecher sich äußert. Vom Sprecher geht der Stab dann über zum Hörer, der dann seinerseits zum Sprecher wird usw.

Der Einwand gegen dieses Kommunikationsmodell, bei dem etwas von ego zu alter (und zurück) übertragen wird, bei dem, wie man gerne sagt, ein (Informations-)Austausch stattfindet, hat mehrere theoretische Großeltern. Vorgebracht wurde er etwa von der Systemtheorie oder auch von der Hermeneutik oder der Rezeptionsästhetik: Kommunikation beginnt nicht mit der Offerte zur Kommunikation, nicht mit dem ersten gesprochenen Satz von ego an alter, sondern Kommunikation setzt erst mit dem Verstehen alters ein! - Und dieses Verstehen liegt nicht erst dann vor, wenn alter das von ego Geäußerte "richtig" versteht. Bei der Kommunikation wird ja nichts ausgetauscht oder übertragen oder gesendet oder empfangen. Was auch? Wir reden und denken zwar in unserem Alltagsverständnis so, aber die theoriegeschärften Kommunikationsbegriffe aus Bielefeld, Heidelberg und Konstanz denken Kommunikation von der Seite des Verstehens her, nicht von der Seite eines Sprechers oder Autors, deren Intentionen vom Hörer beziehungsweise Leser "richtig" verstanden werden müssen.

Die Gütesiegel der Grice' schen Gesprächsmaximen würden aus diesen hier nur kurz angedeuteten Sichten natürlich noch mal ganz neu überdacht werden müssen; ich belasse es aber jetzt dabei, wir haben Ende letzten Jahres diesbezüglich schon einiges besprochen; wir müssen das jetzt nicht vertiefen.




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AufDerSonne
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Do 14. Mär 2024, 22:19

Nauplios hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 21:51
1) Bei der Kommunikation wird ja nichts ausgetauscht oder übertragen oder gesendet oder empfangen. Was auch?

2) Wir reden und denken zwar in unserem Alltagsverständnis so, aber die theoriegeschärften Kommunikationsbegriffe aus Bielefeld, Heidelberg und Konstanz denken Kommunikation von der Seite des Verstehens her, nicht von der Seite eines Sprechers oder Autors, deren Intentionen vom Hörer beziehungsweise Leser "richtig" verstanden werden müssen.
Hallo Nauplios. Ich hoffe du verzeihst mir, dass ich deinen Text etwas umgemodelt habe, damit ich darauf Bezug nehmen kann.

Nur kurz: Der Sprecher oder Autor muss eigentlich gar keine Intention haben oder weiss vielleicht noch gar nicht, was er mit seiner "Rede" beabsichtigt. Das fand ich einen interessanten Gedanken von mir.

Jetzt zu 1)
Kannst du das kurz erläutern? Nur wenn du Lust hast. Materie könnte man sagen oder Substanz wird möglicherweise nicht ausgetauscht bzw. ist irrelevant, wenn kommuniziert wird. Das finde ich schon einmal interessant.
Beim Sender und Empfänger habe ich mehr Mühe. Es wird doch gesendet und empfangen? In einem Hirn bilden sich die Gedanken, im anderen werden sie empfangen und lösen wieder Gedanken aus? Hm.

Zu 2)
Ah, das habe ich jetzt schon oben gesagt. Und vorher auch schon erwähnt. Sobald der Sprecher oder Autor eine Intention bei seiner Sprechhandlung hat, dann will er doch verbindlich sein. Intention und Verbindlichkeit kann man nicht trennen. Oder doch?



Ohne Gehirn kein Geist!

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Jörn Budesheim
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AufDerSonne hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 19:12
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 19:06
"Um erfolgreich zu kommunizieren, d.h. in diesem Fall, um zu erreichen, dass der Hörer genau die Überzeugung erfasst, die der Sprecher ihm mitteilen möchte, muss der Sprecher sich an eine Reihe von Gesprächsprinzipien halten. Das Grundprinzip ist das Kooperationsprinzip."
Wieso sollte der Hörer die Überzeugung erfassen, die der Sprecher mitteilen möchte? Vielleicht verstehe ich das falsch, aber in einer guten Kommunikation versuche ich neutral zu sein und nicht meine Zuhörer von etwas zu überzeugen. Das sind zwei ganz verschiedene Arten der Kommunikation mit verschiedenen Absichten.
Nauplios hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 21:51
Der Einwand ist berechtigt.
Aus der letzten Antwort von "AufDerSonne" geht eindeutig hervor, dass es diesen angeblichen Einwand nie gegeben hat. Und auch in dem von Nauplios zitierten Beitrag findet sich nichts, aber auch gar nichts, was diese angebliche Interpretation von Nauplios stützen würde. Im Gegenteil, nur weil er das Zitat "rechtzeitig" beschnitten hat, kann er den Anschein bewahren, er hätte sich tatsächlich darauf bezogen. Weiter geht das Zitat schließlich wie folgt: "...in einer guten Kommunikation versuche ich neutral zu sein und nicht meine Zuhörer von etwas zu überzeugen." (Der Knackpunkt ist hier offensichtlich das Missverständnis um den Ausdruck "Überzeugung".)

Nauplios schreibt weiter: "Ich nehme an, dass du damit nicht meinst, dass der Hörer am Ende die Überzeugung des Sprechers teilt, sondern dass du den Gedanken meinst, den der Sprecher geäußert hat und der nun vom Hörer verstanden wird". Es ist klar, dass das nichts mit dem zu tun hat, was "AufDerSonne" wirklich geschrieben hat.

Was, wenn man nicht nur diesen spezifischen Beitrag von "AufDerSonne" betrachtet, aus dem dieser Gedanke angeblich stammen soll, aber nicht stammt, sondern den Kontext, in dem wir uns bewegen? Wer auch nur ein paar Beiträge von "AufDerSonne" kennt, weiß, dass er einen solchen Einwand nie und nimmer erheben würde. Das ist vollkommen ausgeschlossen. (Dazu muss man sich eigentlich nur seine vorherige Antwort anschauen.) Ausgeschlossen ist aber auch, dass Nauplios das nicht ganz genau weiß. Mit anderen Worten: Nauplios hat das, was er vorgeblich "vermutet", nicht wirklich vermutet, das ist völlig aus der Luft gegriffen, in der es nie lag.

Warum schreibt er es dann? Der erste Grund ist vermutlich, dass er das Zitat von "AufDerSonne" instrumentalisiert hat, um seinen eigenen Einwand vorzubringen. Der zweite Grund dürfte "forumstrategischer Natur" sein. Die Antwort von "AufDerSonne" wird bloß zum Schein "respektiert", um Sympathien zu gewinnen und vielleicht Koalitionen zu schmieden. In Wahrheit wird "AufDerSonne" von Nauplios bloß veräppelt.

Damit hat Nauplios m.E. bewusst gegen die Regeln 2, 3 und 4 verstoßen. Insbesondere hat er (implizit) Dinge behauptet, von denen er wissen kann und weiß, dass sie so nicht zutreffen.




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Quk
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Fr 15. Mär 2024, 13:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 20:25
Quk hat geschrieben :
Do 14. Mär 2024, 20:20
Überzeugung
Der Begriff "Überzeugung" ist hier, wie so oft in der Philosophie, nicht im emphatischen Sinne ("ich bin der festen Überzeugung, dass...") gemeint, wie er im Alltag oft verwendet wird. Eine Überzeugung in dem technischen Sinne, wie er im Text verwendet wird, ist einfach etwas, was wir für wahr halten, z.B. dass vor mir gerade eine Tablet steht, auf das ich diesen Text spreche.
Kein Einwand meinerseits. -- Ergänzend: Egal, was für eine Art von Überzeugung es ist -- religiös, technisch, etc. --, die Maxime verlangt nicht, dass der Hörer überzeugt wird, sondern dass er des Sprechers Überzeugung versteht.




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Jörn Budesheim
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Fr 15. Mär 2024, 13:54

Quk hat geschrieben :
Fr 15. Mär 2024, 13:47
Egal, was für eine Art von Überzeugung es ist -- religiös, technisch, etc. --, die Maxime verlangt nicht, dass der Hörer überzeugt wird, sondern dass er des Sprechers Überzeugung versteht.
Ja, so sehe ich es auch.




Wolfgang Endemann
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Di 23. Apr 2024, 14:36

Mein erster Kommentar hier. Zufällig bin ich auf dieses Forum gestoßen, gut, daß es Diskursräume des philosophischen Denkens gibt.
Die erste der Maximen legt das Gespräch auf Informationstransfer* fest.
Die zweite ist trivial, wenn man Spiel und Manipulation ausschließen will.
Die dritte schließt im Sinne der ersten eine hypothetische Gesprächseingabe aus, was u.a. in den Kommentaren (75406, 75409, 75419, 75424) zurecht moniert wurde.
Die beiden letzten folgen aus der ersten Maxime und bestätigen, was hier unter Gespräch verstanden wird. Auf diese Verengung wurde im Thread mehrfach hingewiesen.
Allerdings wird der Bereich der Wahrheit tendenziell zu dem der Ästhetik überschritten, wenn das Flanieren an die Stelle des hypothetischen Denkens tritt, Begriffe zu reinen Artefakten werden. Dem sollen wohl die fünf Maximen einen Riegel vorschieben. Wenn, wie für mich, die Ästhetik nicht wahrheitsinkompatibel ist, bedarf es dieser Einschränkung nicht.
* Information kann übertragen werden, Verständnis nicht. Kommunikation ist nur zu einem bescheidenen Maß Informationstransfer (siehe Kommentar 75460).




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Jörn Budesheim
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Di 23. Apr 2024, 14:47

Herzlich willkommen im Forum, Wolfgang Endemann!




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