AufDerSonne hat geschrieben : ↑ Do 14. Mär 2024, 19:12
Wieso sollte der Hörer die Überzeugung erfassen, die der Sprecher mitteilen möchte?
Der Einwand ist berechtigt. Ich vermute, daß Du damit nicht meinst, daß der Hörer die Überzeugung des Sprechers am Ende
teilt; sondern daß Du den Gedanken meinst, den der Sprecher äußert und der nun vom Hörer
verstanden wird. Und da stellt sich natürlich die Frage: Wann ist er denn verstanden? - Verstanden ist er dann, wenn das vom Sprecher Geäußerte vom Hörer so verstanden wird, wie es vom Sprecher gemeint war. Falls nicht, lassen sich Korrekturschlaufen in die Kommunikation einbinden, an deren Ende dann zum Beispiel der Hörer sagen könnte: "Ach
so hast du das gemeint. Jetzt verstehe ich dich. Na, dann sag' das doch gleich."
Ich kenne Grice nur von seinen Maximen her, deswegen hier nur ein zarter Einwand: Liegt diesen Maximen ein theoretisch ausgearbeiteter und belastbarer Kommunikationsbegriff zugrunde? Er hat einiges über Konversation geschrieben, das ich allerdings nicht kenne. Oder geht in diesen Kommunikationsbegriff das Alltagsverständnis ein? - Dieses Alltagsverständnis läuft ja darauf hinaus, daß die Kommunikation in dem Moment beginnt, in dem der
Sprecher sich äußert. Vom Sprecher geht der Stab dann über zum Hörer, der dann seinerseits zum Sprecher wird usw.
Der Einwand gegen dieses Kommunikationsmodell, bei dem etwas von ego zu alter (und zurück) übertragen wird, bei dem, wie man gerne sagt, ein (Informations-)Austausch stattfindet, hat mehrere theoretische Großeltern. Vorgebracht wurde er etwa von der Systemtheorie oder auch von der Hermeneutik oder der Rezeptionsästhetik: Kommunikation beginnt nicht mit der Offerte zur Kommunikation, nicht mit dem ersten gesprochenen Satz von ego an alter, sondern Kommunikation setzt erst mit dem Verstehen alters ein! - Und dieses Verstehen liegt nicht erst dann vor, wenn alter das von ego Geäußerte "richtig" versteht. Bei der Kommunikation wird ja nichts ausgetauscht oder übertragen oder gesendet oder empfangen. Was auch? Wir reden und denken zwar in unserem Alltagsverständnis so, aber die theoriegeschärften Kommunikationsbegriffe aus Bielefeld, Heidelberg und Konstanz denken Kommunikation von der Seite des Verstehens her, nicht von der Seite eines Sprechers oder Autors, deren Intentionen vom Hörer beziehungsweise Leser "richtig" verstanden werden müssen.
Die Gütesiegel der Grice' schen Gesprächsmaximen würden aus diesen hier nur kurz angedeuteten Sichten natürlich noch mal ganz neu überdacht werden müssen; ich belasse es aber jetzt dabei, wir haben Ende letzten Jahres diesbezüglich schon einiges besprochen; wir müssen das jetzt nicht vertiefen.