Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen

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Wolfgang Endemann
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Sa 13. Jul 2024, 13:14

Nein, hier widerspreche ich. So wie es nicht sinnvoll ist, eine emanzipierte Gesellschaft durch Zwang herstellen zu wollen, also Selbstbestimmung durch Zwangsbestimmung, so, wie es nicht sinnvoll ist, den Krieg durch Krieg abschaffen, die Abrüstung durch Aufrüstung herstellen zu wollen, so ist es nicht sinnvoll, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu erzwingen. Man muß lernen, nicht die Bombe, sondern die Demokratie zu lieben. Ohne diese Liebe ist die Demokratie ein fake, manchmal sogar ein Monster.




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Jörn Budesheim
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Du widersprichst? Nun dieser Faden zeigt ja, dass oft das fragliche falsche Dilemma präsentiert wird.




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Jörn Budesheim
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Sa 13. Jul 2024, 13:23

Bundesverfassungsgericht hat geschrieben : Verbotsverfahren
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig (vgl. Art. 21 Abs. 2 GG). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt alleine die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht. Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Ich argumentiere einfach auf dem Boden unserer Verfassung. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann sollte die fragliche Partei verboten werden. Und das sticht meines Erachtens andere Argumente aus.




Timberlake
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Sa 13. Jul 2024, 13:39

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 13:14
Nein, hier widerspreche ich. So wie es nicht sinnvoll ist, eine emanzipierte Gesellschaft durch Zwang herstellen zu wollen, also Selbstbestimmung durch Zwangsbestimmung, so, wie es nicht sinnvoll ist, den Krieg durch Krieg abschaffen, die Abrüstung durch Aufrüstung herstellen zu wollen, so ist es nicht sinnvoll, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu erzwingen. Man muß lernen, nicht die Bombe, sondern die Demokratie zu lieben. Ohne diese Liebe ist die Demokratie ein fake, manchmal sogar ein Monster.
.. dazu und zwar wie von einer (fake) Demokratie ein Monster geschaffen wurde nur mal zur Info ...
annefrank.org hat geschrieben :
Deutschland 1933: Von der Demokratie zur Diktatur

Aufstieg der NSDAP

Im November 1923 versucht Hitler, durch einen Putsch die Macht zu ergreifen. Damit scheitert er gründlich. Hitler landet hinter Gittern und der Richter verbietet die NSDAP. Ende 1924 kommt Hitler nach einer relativ geringen Strafe wieder frei. Seine politische Karriere ist noch nicht vorbei. Im Gefängnis hat er Mein Kampf geschrieben und darin seine Pläne für Deutschland ausgebreitet.

Die Nazis gehen künftig den legalen Weg und versuchen über Wahlen die Macht zu erobern. Sie profitieren dabei von der Wirtschaftskrise, die Ende der zwanziger Jahre einsetzt. Sie nutzen die Krise für eine heftige Kritik an der Regierung und am Versailler Vertrag. Ihre Strategie geht auf. Bei den Wahlen von 1928 erhielt die NSDAP 0,8 Millionen Stimmen, 1930 ist die Zahl auf 6,4 Millionen gewachsen.
Kann man denn in einer Demokratie , weil manche so argumentieren , durch gute Politik Krisen abwenden ? Nur mal so als Frage.

taz.de hat geschrieben :
Politologe über Migrationspolitik: „Das hilft der AfD“

(taz:)Viele argumentieren, die AfD sei überhaupt nur so erfolgreich, weil Deutschland die Fluchtmigration nicht unter Kontrolle habe.

(Werner Krause:) Was Rechtsaußenparteien vor allem hilft, sind mediale Aufmerksamkeit und Framing. Für viele von ihnen ist Migration ein zentrales Thema, das sie wie einen Trichter nutzen: Jedes andere gesellschaftliche Thema muss diesen Trichter passieren, sei es Wohnen, Bildung oder der Arbeitsmarkt. Je präsenter das Thema im Diskurs ist, desto besser für Parteien wie die AfD. Die Ampel spürt den Druck und will mit dem Thema Handlungsfähigkeit signalisieren. Stünde es nicht auf der Tagesordnung, würde der AfD ein Stück weit die Existenzgrundlage wegbrechen.
Macht nicht genau das eine Demokratie zu einer Fake Demokratie , wenn in ihr etwas außer Kontrolle gerät und sie in Folge dessen diejenigen sanktioniert , die davon ... wohlgemerkt nach den Regeln der Demokratie! ! ... profitieren ?
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 13. Jul 2024, 14:23, insgesamt 2-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Sa 13. Jul 2024, 14:21

Verfassungsfeindlich zu sein, ist eben gerade nicht gemäß den Regeln der Demokratie!




Timberlake
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Sa 13. Jul 2024, 14:23

Sicherlich, für den Fall , dass gegen die Verfassung verstoßen wird , so ist beispielsweise ein Parteiverbot nach den Regeln der Demokratie durchaus berechtigt. Nur trifft das bei der AfD .. gemäß ihrem Parteiprogramm ! .. auch zu ?
sueddeutsche.de hat geschrieben :
AfD-Grundsatzprogramm teilweise "klar verfassungswidrig"

Die AfD will Minarett und Muezzin verbieten - und vergisst dabei, dass das Grundgesetz allen Religionsfreiheit gewährt. Rechtswissenschaftler Joachim Wieland über das Grundsatzprogramm.

SZ: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", behauptet die AfD in ihrem Grundsatzprogramm. Außerdem heißt es dort: "Ein orthodoxer Islam, der unsere Rechtsordnung nicht respektiert oder sogar bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion erhebt, ist mit unserer Rechtsordnung und Kultur unvereinbar." Lässt sich eine solche Aussage mit dem Grundgesetz vereinbaren?

Wenn es dort jedoch angeblich heißt "Ein orthodoxer Islam, der unsere Rechtsordnung nicht respektiert oder sogar bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion erhebt, ist mit unserer Rechtsordnung und Kultur unvereinbar." , was gäbe es denn dagegen gemäß unserer Verfassung dagegen ein zu wenden? Das der Islam nicht zu Deutschland gehört, da könnte man diesbezüglich sicherlich tätig werden. Nur wenn man daraufhin die AfD tatsächlich verbietet , das, worauf die AfD "auf den Tricher gekommen ist" und zwar das Problem der Migration für die Demokratie , bleibt weiterhin bestehen.
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 13. Jul 2024, 14:46, insgesamt 3-mal geändert.




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Sa 13. Jul 2024, 14:41

verfassungsblog hat geschrieben : Am 25. Februar 2021 stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Alternative für Deutschland (AfD) als „Verdachtsfall“ ein. Es gebe hinreichend verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge. Eine solche Einstufung legitimiert in der Praxis des BfV die genauere Beobachtung der Partei. Das heißt, es darf geheimdienstliche Mittel wie Telekommunikationsüberwachung oder V-Leute einsetzen.

Die AfD wehrte sich gegen diese Einstufung vor dem Verwaltungsgericht Köln – und unterlag. Gegen das Urteil legte sie Berufung ein. Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster unterlag sie am 13. Mai 2024 erneut.

[...]

Das Gericht entschied allerdings nicht darüber, ob die AfD sicher verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Diese Feststellung wäre Voraussetzung für ein Parteiverbot.

[...]

Das bedeutet, dass das Urteil des OVG Münster nicht bestätigt bzw. gar nicht bestätigen konnte, dass alle Voraussetzungen für ein Verbot der AfD vorliegen. Warum haben die Urteilsgründe ein AfD-Verbot(sverfahren) dennoch wahrscheinlicher gemacht?

[Das OVG Münster ist der Auffassung, dass die AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen insbesondere gegen Deutsche mit Migrationshintergrund, Ausländer und Muslime verfolgt und demokratiefeindlich ist. Das Urteil stützt sich auf umfangreiches Beweismaterial des BfV, das zahlreiche diskriminierende Äußerungen von AfD-Funktionären enthält. Beispiele sind Äußerungen zum drohenden „Volkstod“, die Verschwörungstheorie der „Umvolkung“ und die Forderung nach „Rückwanderung“ von „nicht integrierbaren Migranten“ einschließlich der Diskriminierung von Deutschen mit Migrationshintergrund. Das Gericht betont, dass die AfD ihre wahren Ziele aus taktischen Gründen oft nicht vollständig offen legt.]

[...]

Besonders krass ist auch die Forderung Christina Baums nach einem „Wahlrecht nach Abstammung“.

[...]

Demgegenüber ist die Beweislage hinsichtlich des Vorwurfs der Demokratiefeindlichkeit dünn. Genügend Anhaltspunkte für einen Verdacht lägen vor, allerdings „nicht in der Häufigkeit und Dichte wie vom [BfV] angenommen“.

[...]

Es gibt bislang keine belastbaren Einschätzungen zu den Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens. Das liegt daran, dass in der Öffentlichkeit niemand einen Überblick über das umfangreiche Material zur AfD hat und dass es bei der Partei – anders als bei der NPD – wegen ihrer taktisch motivierten öffentlichen Zurückhaltung auf komplexe Zurechnungsfragen ankommt. Das hat dazu geführt, dass sich viele Verfassungsrechtler*innen zurückhaltend dazu geäußert haben, ob die Voraussetzungen für ein AfD-Verbot vorliegen. Und dass sich keine politische Dynamik hin zu einem Verbotsantrag entwickelt hat. Jenseits politischer Vorbehalte ist die Sorge groß, dass ein Verbotsantrag scheitern würde.

https://verfassungsblog.de/ist-dieses-u ... e-der-afd/
Ich kann die Seriösität der Quelle leider nicht garantieren. Artikel ist jedoch lesenswert, weil er nach meinem Gefühl zeigt, wie die Diskussion eigentlich zu führen ist.




Timberlake
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Sa 13. Jul 2024, 14:54

.. nach meinem Gefühl lenkt die Einstuffung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) , so berechtigt das auch immer ist , von den eigentlichen Problemen unserer Demokratie und sie dem zufolge abzuschaffen droht , ab.
ndr.de hat geschrieben :
Umfrage: Ohne Wohlstand kaum Zufriedenheit mit Demokratie

Ob Inflation, Migrationsdebatte, Klimawandel oder der Umgang mit internationalen Krisen - die Politik in Deutschland steht vor einigen Herausforderungen. Was sagt die #NDRfragt-Community: Ist unsere Demokratie dafür derzeit ausreichend gewappnet?

Ja, sagt über die Hälfte der Befragten in Norddeutschland. Allerdings ist die Mehrheit nur knapp. Nur etwas weniger als die Hälfte ist hingegen nicht zufrieden mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert. Und je nach Bundesland und Selbsteinschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage dominiert die Unzufriedenheit deutlich. Dennoch: Obwohl viele die Demokratie kritisieren, hat knapp die Hälfte der Befragten das Gefühl, dass sie selbst in ihrer Stadt oder Gemeinde politisch etwas verändern könnte. Und es gibt auch Vorschläge, wie sich die Demokratie verbessern ließe. Beim Blick auf die Regierungen kommen die Länder positiver weg als der Bund.
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 13. Jul 2024, 15:02, insgesamt 2-mal geändert.




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Sa 13. Jul 2024, 14:56

Das lenkt keineswegs von den eigentlichen Problemen ab, sondern zeigt auf ein eigentliches Problem.

Es gab im Kaffeestübchen - glaube ich - auch mal einen sehr interessanten Beitrag der zeigte, dass die AFD auch den Wohlstand in unserem Land gefährdet, weil durch sie der Wirtschaftsstandort Deutschland unattraktiv wird




Timberlake
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Sa 13. Jul 2024, 15:08

.. das mag ja so sein , nur scheint das die AfD "bestenfalls" unerheblich bei den Umfragen bzw. bei den Wahlen zu schaden. Das gilt übrigens auch für die Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) . Das die AfD insbesondere in der ehemaligen DDR diesbezüglich so gut da steht , würde ich übrigens aus der doch sehr schmerzlichen Erfahrung aus der Wendezeit schließen und ganz sicher nicht , wie mitunter unterstellt , dass man dort nach der SED Herrschaft die Demokratie von Hause aus nicht im ausreichenden Maße erlernt hätte. Diese Erfahrung sensibilisiert für Kontrollverluste , wie wir sie derzeit in unserer Demokratie erleben. In sofern ich den Rechtsruck , vollzogen durch die AfD nicht als ein eigentliches Problem bezeichnen würde, sondern lediglich , gleichsam dem Zahnschmerz , bei Karies , als ein Symptom für diesen Kontrollverlust. Demzufolge käme ggf. ein Verbot Verbot lediglich einem Schmerzmittel gleich , dass das Symptom bekämpft. Die Ursache dessen, der Karies bzw. der Kontrollverlust bleibt indes weiter bestehen.
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 13:14
Nein, hier widerspreche ich. So wie es nicht sinnvoll ist, eine emanzipierte Gesellschaft durch Zwang herstellen zu wollen, also Selbstbestimmung durch Zwangsbestimmung, so, wie es nicht sinnvoll ist, den Krieg durch Krieg abschaffen, die Abrüstung durch Aufrüstung herstellen zu wollen, so ist es nicht sinnvoll, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu erzwingen. Man muß lernen, nicht die Bombe, sondern die Demokratie zu lieben. Ohne diese Liebe ist die Demokratie ein fake, manchmal sogar ein Monster.
Das macht, wie gesagt , m. E. die Demokratie zu einem Fake. Manchmal sogar zu einem Monster, der ein Monster wie Hitler auf der einen, rechten Seite oder Stalin auf der anderen, linken Seite gebärt.
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 13. Jul 2024, 16:08, insgesamt 4-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Sa 13. Jul 2024, 16:01

Ich halte den Einwand, die Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das BfV lenke von den eigentlichen Problemen unserer Demokratie ab, für eine Form von Whataboutismus. Es ist der Versuch, die ursprüngliche Frage, ob die AfD verboten werden soll, zu umgehen oder zu relativieren. Die Frage, wie gefährlich die AfD ist, erscheint dann plötzlich als nebensächlich.




Lucian Wing

Sa 13. Jul 2024, 17:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 13:23
Bundesverfassungsgericht hat geschrieben : Verbotsverfahren
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig (vgl. Art. 21 Abs. 2 GG). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt alleine die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht. Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Ich argumentiere einfach auf dem Boden unserer Verfassung. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann sollte die fragliche Partei verboten werden. Und das sticht meines Erachtens andere Argumente aus.
Nein, es gibt kein Sollen. Man muss Spitzfindigkeiten schon konsequent durchziehen. Das Recht hat lässt der Politik hier einen klaren politischen Spielraum, indem es der Politik einen Ermessensspielraum für eine Klage einräumt. Das ist eindeutig formuliert. Weder die Mitglieder des Bundestags noch des Bundesrates noch der Bundesregierung sollen oder müssen einen solchen Verbotsantrag stellen.

Der Text ist unmissverständlich, so wie es unmissverständlich ist, dass die Politik in Gestalt der Parteien politisch an ihren Aufgaben in dieser Hinsicht scheitern. Was wiederum dann völlig verständlich ist, wenn man davon ausgeht, dass das Problem ja überhaupt erst durch diese Parteien in ihrer Funktion als regierende entstehen konnte.




Lucian Wing

Sa 13. Jul 2024, 17:31

Timberlake hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 14:54
.. nach meinem Gefühl lenkt die Einstuffung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) , so berechtigt das auch immer ist , von den eigentlichen Problemen unserer Demokratie und sie dem zufolge abzuschaffen droht , ab.
Ob Inflation, Migrationsdebatte, Klimawandel oder der Umgang mit internationalen Krisen - die Politik in Deutschland steht vor einigen Herausforderungen. Was sagt die #NDRfragt-Community: Ist unsere Demokratie dafür derzeit ausreichend gewappnet?
Die Grundfrage ist ja, was „unsere Demokratie“ eigentlich ist. Dass man wie jeder sog. „Wilde“ glaubt, was man habe, sei DIE Demokratie, ist ja eher eine hübsche Fußnote zu dieser irrigen Annahme. Dabei hülfe es, mal bei der Bundeszentrale für politische Bildung sich kostenlos etwa über Demokratieformen zu informieren, die es so gibt. „Unsere“ ist nicht DIE Demokratie, sondern eine Form davon.

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/a ... fahr-2024/

Seite 6 gibt es die Tabelle als Übersicht, Seite 5/6 die Erläuterung für diejenigen, die lesen wollen.




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Jörn Budesheim
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Sa 13. Jul 2024, 17:48

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 17:17
unmissverständlich
Aber du billigst mir schon zu, dass ich eine Meinung zu dem Thema haben darf, oder? Und die lautet eben wie folgt: falls die Kriterien, die das Verfassungsgericht angibt erfüllt sind, dann sollte die AFD verboten werden.

Deine und timberlakes "Argumentation" halte ich für Fehlargumentationen sowohl der falschen Alternative als auch eine Art von Whataboutismus, was ich weiter oben jeweils erläutert habe.




Lucian Wing

Sa 13. Jul 2024, 17:48

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 12:26
Immer wieder muß ich feststellen, daß nicht zwischen formaler und substantieller Demokratie unterschieden wird. Substantielle Demokratie muß man leben, sie besteht in dem Prinzip, die Vernunftfähigkeit der Bürger zu unterstellen und mit der diskursiven Überzeugung von der eigenen Vernunft beeinflussen zu können. Wenn ein Problem auftaucht, hat die Überzeugungsarbeit nicht funktioniert. Dann mit Verboten statt mit Mehrheiten die Probleme lösen zu wollen, ist substantiell undemokratisch.
Ausnehmen würde ich extreme Haltungen, die dem sittlichen Bewußtsein (im Sinne Hegels) widersprechen. Ich hoffe doch, daß die Todesstrafe grundgesetzlich verboten bleibt. Aber es muß ein Recht auf freie Meinungen diesseits solcher Grenzen geben, die demokratisch, mit Argumenten bekämpft und in ihrer Wirksamkeit bekämpft werden können.
Falls eine Gesellschaft sich tatsächlich pathologisiert, ist ihr nur noch durch kluge Strategie von Außen zu helfen, oder ein Notwehrhandeln im Inneren, das sich über Gesetze stellt. Der Notfall ist kein gesetzlicher Regelfall. Notstandsregierungen werden in der Regel von denen installiert, die den Notfall produziert haben, da macht man den Bock zum Gärtner.
Natürlich wird es nicht erst kritisch, wenn die AfD bei 45% liegt, aber vorher führt kein Weg an einer von der Richtigkeit der eigenen Ansichten überzeugenden Politik vorbei, der es gelingt, die Zustimmung zur AfD oder ähnlichen Gruppierungen abzuschmelzen. Gelingt das nicht, stimmt etwas nicht mit der Vernunft; so viel Demokrat sollte man sein.
Nur zur Info: Mein Beitrag #80316 bezog sich nicht auf den hier zitierten, sondern auf #80314.

Hiermit gehe ich weitgehend konform. Das ist ja das, was in dem Manow-Zitat steckt. Nicht der Rechtsstaat rettet die Demokratie, sondern eher umgekehrt.

Und dass die liberale Demokratie nicht DIE Demokratie oder das Ende der Geschichte ist, wird jedem Nichthegelianer unmittelbar einleuchten. Die Alternativen sind in dem Link zur bpb ja aufgezeigt. Und zum Instrument des Parteienverbots kann jeder sich selbst schlau machen. Es gibt in Europa nur 5 Länder, wo es überhaupt möglich ist. Vergleichbar mit Deutschland ist hierin allerdings nur eines davon.




Timberlake
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Sa 13. Jul 2024, 17:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 16:01
Ich halte den Einwand, die Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das BfV lenke von den eigentlichen Problemen unserer Demokratie ab, für eine Form von Whataboutismus. Es ist der Versuch, die ursprüngliche Frage, ob die AfD verboten werden soll, zu umgehen oder zu relativieren. Die Frage, wie gefährlich die AfD ist, erscheint dann plötzlich als nebensächlich.
Das zwischen dem Kontrollverlust der Demokratie und dem Aufkommen einer Partei wie der AfD , " thematisch" eine Schnittmenge besteht , sollte doch wohl außer Frage stehen und mit diesem Kontrollverlust meine ich nicht, wofür , gemäß der Verfassung , die AfD unter Beobachtung steht. Da verzeichnet die Demokratie als solches ganz sicher kein Kontrollverlust. Gleichwohl ich mich allerdings schon Frage, ob seiner Zeit , als die Demokratie der s.g. Weimarer Republik deshalb auf der Kippe stand, man mit einer Verfassung, wie wir sie heute haben, die Machtergreifung Hitlers hätte verhindern können. Wenn ja , dann erscheint die Frage, wie gefährlich ist die AfD , natürlich alles andere , als nebensächlich. Dann wäre beispielsweise mit der Migration vor allem jener Kontrollverlust nebensächlich , der bekanntermaßen die AfD hat groß werden lassen. Wie übrigens auch der Kontrollverlust der Weimarer Republik infolge der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Der wäre , die NSDAP aber auch der KPD , mit Hilfe der Verfassung unter Kontrolle haltend , dann auch nebensächlich gewesen.
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 13. Jul 2024, 17:55, insgesamt 1-mal geändert.




Lucian Wing

Sa 13. Jul 2024, 17:53

Was soll denn unter „Kontrollverlust“ zu verstehen sein? Wer hat worüber warum die Kontrolle verloren?




Timberlake
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Sa 13. Jul 2024, 18:08

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 17:53
Was soll denn unter „Kontrollverlust“ zu verstehen sein? Wer hat worüber warum die Kontrolle verloren?
... gute Frage ... ich würde da zwischen einem tatsächlichen und einem gefühlten „Kontrollverlust“ unterscheiden wollen. So war der Kontrollverlust der Weimarer Republik in Folge der Weltwirtschaftskrise , meinetwegen , wo hier schon mal davon die Rede war , auch der Kontrollverlust der Staatsführung der DDR über dessen Volk , ganz sicher nicht gefühlt. Was hingegen das betrifft , was die AfD hat groß werden lassen, die Migration, so hat man .. den Einreisebeschränkungen sei dank! .. da umgekehrt ganz sicher nicht die Kontrolle verloren.
sueddeutsche.de hat geschrieben :
AfD-Grundsatzprogramm teilweise "klar verfassungswidrig"

Die AfD will Minarett und Muezzin verbieten - und vergisst dabei, dass das Grundgesetz allen Religionsfreiheit gewährt. Rechtswissenschaftler Joachim Wieland über das Grundsatzprogramm.

SZ: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", behauptet die AfD in ihrem Grundsatzprogramm. Außerdem heißt es dort: "Ein orthodoxer Islam, der unsere Rechtsordnung nicht respektiert oder sogar bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion erhebt, ist mit unserer Rechtsordnung und Kultur unvereinbar." Lässt sich eine solche Aussage mit dem Grundgesetz vereinbaren?

. .. geschweige denn , dass ein Kontrollverlust durch den Islam droht. Da wurde zweifelsohne von der AfD ein Popanz aufgebaut. Gleichwohl auch ein Popanz seinen Teil dazu beitragen kann, eine Demokratie ab zu schaffen.




Lucian Wing

Sa 13. Jul 2024, 18:27

Dem letzten Satz möchte ich mal uneingeschränkt zustimmen. Das Popanzpotenzial ist unerschöpflich.




Lucian Wing

Sa 13. Jul 2024, 19:05

Timberlake hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 15:08
.. das mag ja so sein , nur scheint das die AfD "bestenfalls" unerheblich bei den Umfragen bzw. bei den Wahlen zu schaden. Das gilt übrigens auch für die Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) . Das die AfD insbesondere in der ehemaligen DDR diesbezüglich so gut da steht , würde ich übrigens aus der doch sehr schmerzlichen Erfahrung aus der Wendezeit schließen und ganz sicher nicht , wie mitunter unterstellt , dass man dort nach der SED Herrschaft die Demokratie von Hause aus nicht im ausreichenden Maße erlernt hätte. Diese Erfahrung sensibilisiert für Kontrollverluste , wie wir sie derzeit in unserer Demokratie erleben. In sofern ich den Rechtsruck , vollzogen durch die AfD nicht als ein eigentliches Problem bezeichnen würde, sondern lediglich , gleichsam dem Zahnschmerz , bei Karies , als ein Symptom für diesen Kontrollverlust. Demzufolge käme ggf. ein Verbot Verbot lediglich einem Schmerzmittel gleich , dass das Symptom bekämpft. Die Ursache dessen, der Karies bzw. der Kontrollverlust bleibt indes weiter bestehen.
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Sa 13. Jul 2024, 13:14
Nein, hier widerspreche ich. So wie es nicht sinnvoll ist, eine emanzipierte Gesellschaft durch Zwang herstellen zu wollen, also Selbstbestimmung durch Zwangsbestimmung, so, wie es nicht sinnvoll ist, den Krieg durch Krieg abschaffen, die Abrüstung durch Aufrüstung herstellen zu wollen, so ist es nicht sinnvoll, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu erzwingen. Man muß lernen, nicht die Bombe, sondern die Demokratie zu lieben. Ohne diese Liebe ist die Demokratie ein fake, manchmal sogar ein Monster.
Das macht, wie gesagt , m. E. die Demokratie zu einem Fake. Manchmal sogar zu einem Monster, der ein Monster wie Hitler auf der einen, rechten Seite oder Stalin auf der anderen, linken Seite gebärt.
Manow sagt irgendwo in seinem jüngsten Buch, dass es ein Fehler sei, nicht einmal den Gewinnern zu fragen sondern immer nur über angebliche Verlierer zu spekulieren. Die Gewinner, so meine Einschätzung, fliegen tatsächlich immer unterm Radar hindurch, während die Verlierer dann als alleinige Feinde der Demokratie dastehen.




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