Gibt es ein Problem mit Regeln?
Fast in allen Bereichen des Lebens gibt es Regeln; manchmal sind sie unausgesprochen, manchmal explizit formuliert. Aber gibt es nicht ein grundsätzliches Problem mit Regeln? Neigen Regeln nicht dazu, "falsch" zu sein? Schließlich werden sie zu einem bestimmten Zeitpunkt entworfen, um die Zukunft zu regeln. Doch die Zukunft ist unvorhersehbar, daher ist es unmöglich, alles explizit zu regeln. In unvorhergesehenen Situationen kann es unmöglich sein, sich an die Regeln zu halten und gleichzeitig ihrem Geist zu entsprechen. (Genau genommen ist ja eigentlich jede Situation, die wir erleben, einzigartig.)
Deshalb kann es manchmal angebracht, ja sogar erforderlich sein, gegen die Regeln zu verstoßen, oder?
Es gibt ein weiteres Problem: Regeln tendieren dazu, den Fortschritt aufzuhalten und die Kreativität zu bremsen. Kreativität meint hier, etwas Neues zu tun, das zugleich sinnvoll, nützlich oder brauchbar ist. Manchmal kann das dazu führen, dass die Regel gebrochen werden muss, um etwas Sinnvolles zu tun, oder?
Wie geht man mit diesem Problem, wenn es denn besteht, um? Sollte man Regeln nur auf Zeit festlegen und sie immer wieder neu zu überdenken? Sollte man auf explizite Regeln nach Möglichkeit verzichten und stattdessen auf implizite setzen, die womöglich "weicher" sind.
Eine weitere Möglichkeit ist, Regeln mehr als Leitlinien zu betrachten, die Orientierung bieten, aber in bestimmten Situationen flexibel ausgelegt werden können. Dies erfordert jedoch ein hohes Maß an Urteilsvermögen, Fingerspitzengefühl und Verantwortungsbewusstsein derjenigen, die die Regeln anwenden.
Deshalb kann es manchmal angebracht, ja sogar erforderlich sein, gegen die Regeln zu verstoßen, oder?
Es gibt ein weiteres Problem: Regeln tendieren dazu, den Fortschritt aufzuhalten und die Kreativität zu bremsen. Kreativität meint hier, etwas Neues zu tun, das zugleich sinnvoll, nützlich oder brauchbar ist. Manchmal kann das dazu führen, dass die Regel gebrochen werden muss, um etwas Sinnvolles zu tun, oder?
Wie geht man mit diesem Problem, wenn es denn besteht, um? Sollte man Regeln nur auf Zeit festlegen und sie immer wieder neu zu überdenken? Sollte man auf explizite Regeln nach Möglichkeit verzichten und stattdessen auf implizite setzen, die womöglich "weicher" sind.
Eine weitere Möglichkeit ist, Regeln mehr als Leitlinien zu betrachten, die Orientierung bieten, aber in bestimmten Situationen flexibel ausgelegt werden können. Dies erfordert jedoch ein hohes Maß an Urteilsvermögen, Fingerspitzengefühl und Verantwortungsbewusstsein derjenigen, die die Regeln anwenden.
Lebensregeln sollten meines Erachtens nicht strikt, sondern als Leitlinien betrachtet werden. Denn das Leben ist wechselhaft; man entdeckt neues, man verändert sich. Entsprechend müssen Regeln verändert werden. Eine Veränderung anzustoßen, gelingt oft mittels Debatten, aber manchmal nur mittels Belästigung, die laut Regel bestraft werden muss. Hier liegt die Pufferzone. Um diese Pufferzone verfügbar zu machen, dürfen keine drakonischen Strafen vollzogen werden. Das heißt, ein Protest darf nicht mit dem Tod oder mit überlanger Haft bestraft werden; ein Diebstahl darf nicht mit Handabhacken bestraft werden. Denn auf Grund solcher drakonischen Strafen gelangt ein Änderungswilliger exakt nur einziges Mal in die Pufferzone des Anstoßes; danach ist er ausgeschaltet und der Änderungsprozess im Keim erstickt. Je regelbessessener eine Gesellschaft ist, desto härter sind ihre Strafen. Anhand dieser kann man einen Eindruck gewinnen über den Grad der Fortschrittsoffenheit einer Gesellschaft. Je offener sie ist, desto leitlinienmäßiger werden ihre Regeln betrachtet, denke ich.
"Keine Regel ohne Ausnahme" zeigt schön das grundsätzliche Problem mit Regeln.
Eine Frage ist: Geht es bei den Regeln auch um objektive (Regeln nicht auf Menschen bezogen) wie "Alle Schwäne sind weiß" oder nur um subjektive, also von (einigen) Menschen aufgestellte Regeln für (andere) Menschen? Gehen wir wohl von letzteren aus; erstere zeigen immerhin, dass es auch andere Regeln gibt.
Dann ist die Frage, wie objektiv Regeln gelten und überprüfbar sind. Verkehrsregeln sind recht objektiv, z.B. wenn eine Geschwindigkeit übertreten wird (gehen wir mal von richtigen Messungen aus); etwas wie Beleidigungen sind erheblich weniger objektiv, u.a. weil es hier ein großes Spektrum gibt.
Eine weitere Frage ist, wie restriktiv Regeln befolgt und ggf. bei Verstoß verfolgt werden. Das hängt dann weiterhin damit zusammen, wer verfolgt mit welchen Rechten oder auch welcher Macht und mit welchen Konsequenzen zu rechnen sind, auch z.B. ob es vernünftige Einspruchsmöglichkeiten gibt.
Soweit eben zu Regelns als solche, mir scheint, es soll hier vor allem der Wandel in der Zeit betrachtet werden.
Das ist allerdings ein schwieriger Punkt, weil Änderungen in der Zeit sehr unterschiedlich schnell verlaufen.
Allerdings scheinen mir einige Änderungen in unserer schnelllebigen Zeit schneller als früher zu sein, was das Anpassen schwieriger macht, ob nun das explizite Anpassen von Regeln wie das implizite.
Ein Grund scheint mir, dass immer mehr Menschen(gruppen) ihre Ziele verstärkt verfolgen (man kann es oft "egoistisch" nennen), nicht selten auf Kosten andere Menschen(gruppen).
Wer soll da noch gut Regeln aufstellen, die von der großen Mehrheit aller Menschen getragen werden? Das scheint mir immer schwerer.
Inwieweit Neues wirklich Fortschritt ist, ist dabei nicht selten anzweifelbar.
Ich denke, Regeln sollten möglichst explizit aufgestellt und auch veränderbar sein, aber es sollte zu ihnen einen möglichst großen Konsens geben, auch innerhalb des Wandels.
Etwas wie die Abschaffung von Fahrkarten in Bussen oder von ausgedruckten Fahrkarten als Regeln für weiter fortschreitende Digitalisierung hat keinen hinreichenden Konsens bzw. diskriminiert mir zu viele Menschen.
Deshalb kann es manchmal angebracht, ja sogar erforderlich sein, gegen die Regeln zu verstoßen, oder?
"Deshalb kann es manchmal angebracht, ja sogar erforderlich sein, gegen die Regeln zu verstoßen, oder?"
-> Geschieht dies nicht sowieso?
"Sollte man Regeln nur auf Zeit festlegen und sie immer wieder neu zu überdenken? Sollte man auf explizite Regeln nach Möglichkeit verzichten und stattdessen auf implizite setzen, die womöglich "weicher" sind."
-> Überdenken kann sicher nie schaden (aber auf welche Zeit soll man denn (was) festlegen?), aber auf explizite Regeln zu verzichten schafft mehr Unsicherheit und überlässt den Mächtigen mit Ellenbogen (noch) mehr Möglichkeiten
PS nach Quk:
Mir scheint, dass es nicht wenig davon abhängt, worum es genauer geht.
Eine Frage ist: Geht es bei den Regeln auch um objektive (Regeln nicht auf Menschen bezogen) wie "Alle Schwäne sind weiß" oder nur um subjektive, also von (einigen) Menschen aufgestellte Regeln für (andere) Menschen? Gehen wir wohl von letzteren aus; erstere zeigen immerhin, dass es auch andere Regeln gibt.
Dann ist die Frage, wie objektiv Regeln gelten und überprüfbar sind. Verkehrsregeln sind recht objektiv, z.B. wenn eine Geschwindigkeit übertreten wird (gehen wir mal von richtigen Messungen aus); etwas wie Beleidigungen sind erheblich weniger objektiv, u.a. weil es hier ein großes Spektrum gibt.
Eine weitere Frage ist, wie restriktiv Regeln befolgt und ggf. bei Verstoß verfolgt werden. Das hängt dann weiterhin damit zusammen, wer verfolgt mit welchen Rechten oder auch welcher Macht und mit welchen Konsequenzen zu rechnen sind, auch z.B. ob es vernünftige Einspruchsmöglichkeiten gibt.
Soweit eben zu Regelns als solche, mir scheint, es soll hier vor allem der Wandel in der Zeit betrachtet werden.
Das ist allerdings ein schwieriger Punkt, weil Änderungen in der Zeit sehr unterschiedlich schnell verlaufen.
Allerdings scheinen mir einige Änderungen in unserer schnelllebigen Zeit schneller als früher zu sein, was das Anpassen schwieriger macht, ob nun das explizite Anpassen von Regeln wie das implizite.
Ein Grund scheint mir, dass immer mehr Menschen(gruppen) ihre Ziele verstärkt verfolgen (man kann es oft "egoistisch" nennen), nicht selten auf Kosten andere Menschen(gruppen).
Wer soll da noch gut Regeln aufstellen, die von der großen Mehrheit aller Menschen getragen werden? Das scheint mir immer schwerer.
Inwieweit Neues wirklich Fortschritt ist, ist dabei nicht selten anzweifelbar.
Ich denke, Regeln sollten möglichst explizit aufgestellt und auch veränderbar sein, aber es sollte zu ihnen einen möglichst großen Konsens geben, auch innerhalb des Wandels.
Etwas wie die Abschaffung von Fahrkarten in Bussen oder von ausgedruckten Fahrkarten als Regeln für weiter fortschreitende Digitalisierung hat keinen hinreichenden Konsens bzw. diskriminiert mir zu viele Menschen.
Deshalb kann es manchmal angebracht, ja sogar erforderlich sein, gegen die Regeln zu verstoßen, oder?
"Deshalb kann es manchmal angebracht, ja sogar erforderlich sein, gegen die Regeln zu verstoßen, oder?"
-> Geschieht dies nicht sowieso?
"Sollte man Regeln nur auf Zeit festlegen und sie immer wieder neu zu überdenken? Sollte man auf explizite Regeln nach Möglichkeit verzichten und stattdessen auf implizite setzen, die womöglich "weicher" sind."
-> Überdenken kann sicher nie schaden (aber auf welche Zeit soll man denn (was) festlegen?), aber auf explizite Regeln zu verzichten schafft mehr Unsicherheit und überlässt den Mächtigen mit Ellenbogen (noch) mehr Möglichkeiten
PS nach Quk:
Mir scheint, dass es nicht wenig davon abhängt, worum es genauer geht.
Zuletzt geändert von Burkart am So 4. Aug 2024, 14:07, insgesamt 2-mal geändert.
Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.
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- Jörn Budesheim
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Ob genau oder ungenau, im Prinzip gehts wohl immer um zwei entgegengesetzte Kräfte: Die konservative und die progressive.
In ihren Extremen sind beide die äußersten Pole, während zwischen ihnen eine Mittelwertwolke hin und her wabert. Ich denke, es gibt einen optimalen Mittelwert, der beiden Tendenzrichtungen das maximal mögliche Wohl bereitet und das minimalste Unwohl beschert. Denn totale Konservierung führt zu tödlichem Inzest, und totale Fortschrittsgläubigkeit stirbt durch ungeprüftes Gift.
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Oft, aber nicht immer, braucht es explizite Regeln, wenn einzelne nicht von sich aus das Richtige tut. Ich erinnere mich an eine Zeit in einem Verein, in dem ich lange Mitglied war. Es gab eine Person, die bei Diskussionen immer zu viel Redezeit in Anspruch nahm, so dass alle mit den Augen rollten. Egal, was wir taten, er wollte nicht aufhören. Schließlich mussten wir klare Regeln aufstellen, wer wann wie lange reden durfte. Das war blöd, denn dadurch wurden unsere Diskussionen weniger lebendig und authentisch, nur weil sich einer nicht richtig benahm.
Es ist unglaublich schwierig, für etwas so Komplexes wie eine Diskussion Regeln aufzustellen, die flexibel genug sind, um die Diskussion nicht zu bremsen. Solange die Regeln nur implizit und geschmeidig sind und sich alle vage daran halten, gibt es vielleicht hier und da kleine Ausreißer, aber im Großen und Ganzen funktioniert es, erst wenn ein Einzelner ständig eklatant gegen die impliziten Regeln verstößt, muss man die Regeln plötzlich explizit machen.
Es geht also gar nicht nur darum, dass diese Person gegen die Regeln verstoßen hat, es geht darum, dass sie nicht in der Lage war, mit Fingerspitzengefühl gegen die Regeln zu verstoßen, sondern immer in völlig übertriebener Weise.
Es ist unglaublich schwierig, für etwas so Komplexes wie eine Diskussion Regeln aufzustellen, die flexibel genug sind, um die Diskussion nicht zu bremsen. Solange die Regeln nur implizit und geschmeidig sind und sich alle vage daran halten, gibt es vielleicht hier und da kleine Ausreißer, aber im Großen und Ganzen funktioniert es, erst wenn ein Einzelner ständig eklatant gegen die impliziten Regeln verstößt, muss man die Regeln plötzlich explizit machen.
Es geht also gar nicht nur darum, dass diese Person gegen die Regeln verstoßen hat, es geht darum, dass sie nicht in der Lage war, mit Fingerspitzengefühl gegen die Regeln zu verstoßen, sondern immer in völlig übertriebener Weise.
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Es gibt natürlich Regeln, die für das, was man tut, konstitutiv sind, z.B die Schachregeln. Man spielt kein Schach mehr, wenn man anfängt, den Turm diagonal zu ziehen. Beim Schach ist es gar nicht so einfach, sich sinnvolle Regelverstöße vorzustellen. Wohingegen beim Fußballspiel man manchmal das Gefühl hat, dass das Foul irgendwie dazu gehört.
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Wenn jemand besonders geschickt mogelt und nie auffliegt, sind dann gemäß deiner Beschreibung die Regeln besonders subjektiv? Denn für dich ist eine Regel ja objektiv, wenn ein Verstoß klar gemessen werden kann?
Mir ist ehrlich gesagt nicht wirklich klar, was es heißen soll, dass Regeln subjektiv oder objektiv sind.
Wie ich oben schrieb: "Dann ist die Frage, wie objektiv Regeln gelten und überprüfbar sind. Verkehrsregeln sind recht objektiv, z.B. wenn eine Geschwindigkeit übertreten wird (gehen wir mal von richtigen Messungen aus); etwas wie Beleidigungen sind erheblich weniger objektiv, u.a. weil es hier ein großes Spektrum gibt."Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Aug 2024, 15:16Wenn jemand besonders geschickt mogelt und nie auffliegt, sind dann gemäß deiner Beschreibung die Regeln besonders subjektiv? Denn für dich ist eine Regel ja objektiv, wenn ein Verstoß klar gemessen werden kann?
Mir ist ehrlich gesagt nicht wirklich klar, was es heißen soll, dass Regeln subjektiv oder objektiv sind.
Also: Ob jemand 15 km zu schnell fährt, ist etwas Objektives, Messbares; ob jemand beleidigt wird, z.T. nicht (nicht einfach messbar).
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Die Geltung hängt also an der Überprüfbarkeit. Für den, der perfekt mogeln kann, gelten die Regeln also auch nicht?
Die Regeln gelten natürlich (eigentlich) für alle.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Aug 2024, 17:59Die Geltung hängt also an der Überprüfbarkeit. Für den, der perfekt mogeln kann, gelten die Regeln also auch nicht?
Aber es ist ja nicht unbekannt, dass selbst vor Gericht nicht alle Menschen gleich behandelt werden, und das nennt man nicht mal unbedingt "mogeln". Und "normales" Mogeln geht oft genug durch, wenn ich z.B. an Schwarzfahrer denke, die (fast) nie kontrolliert werden, u.ä.
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Regeln machen das Leben bzw das Handeln planbar, erwartbar. Ohne Regeln geht es schlecht, wie mit zu strikten Regeln. Sie engen den Möglichkeitsraum vertikal im Sinne der gleichzeitigen Vielfalt ein, aber sie erweitern ihn auch horizontal im Sinne stringenter längerer Handlungsketten. Das sind freilich rein formale Vor- und Nachteile, die nichts über den Wert von Regelungen aussagen. Und man muß unterscheiden, ob sie selbst- oder fremdgesetzt sind. Selten gibt es über den Regelbedarf Konsens. Da bedarf es eines gesellschaftlichen Minimalkonsenses, wie ein Konsens herzustellen oder wieweit der Konsenszwang verhindert werden kann.
Kurz gesagt: es macht keinen Sinn, über Regelungen abstrakt zu sprechen.
Kurz gesagt: es macht keinen Sinn, über Regelungen abstrakt zu sprechen.
Was meinst du?
Gerade heute gab es z.B. auf Tagesschau 24 die Sendung "Arm und Reich vor Gericht", sehr erhellend.
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Gute Frage , wo hier schon mal von "Arm und Reich" die Rede war , dazu ein Beispiel ...
mdr.de hat geschrieben :
Wie das deutsche Steuersystem Reiche bevorteilt
In Deutschland besitzen die reichsten zehn Prozent mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens. Diese Entwicklung wird begünstigt vom Steuersystem. Denn Arbeit wird viel stärker besteuert als Vermögen und Erbschaften. Zudem gibt es Lücken und Schlupflöcher im System, die Reiche besser ausnutzen können.
Als ein Freund von Beispielen , zu den ich mich zähle , wenn denn Konsens ist , dass das deutsche Steuersystem Reiche bevorteilt, sollte da nicht Regelbedarf konsens sein ? Oder würde man dergleichen zu jenem gesellschaftlichen Minimalkonsens zählen, der in der Praxis zu erreichen war. Kurz gesagt: es macht keinen Sinn, über "abstrakte" Regelungen zu sprechen, die darüber hinaus gehen.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑So 4. Aug 2024, 22:36. Selten gibt es über den Regelbedarf Konsens. Da bedarf es eines gesellschaftlichen Minimalkonsenses, wie ein Konsens herzustellen oder wieweit der Konsenszwang verhindert werden kann.
Kurz gesagt: es macht keinen Sinn, über Regelungen abstrakt zu sprechen.
- Jörn Budesheim
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Es gibt bei uns viele Regeln im Alltag, die - auch wenn es natürlich auch hier "Verstöße" gibt - im Grunde in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Ähnliches dürfte über die Lautstärke gelten, in der man spricht und vieles andere mehr. Solche Konventionen können von Region zu Region variieren. Über solche Regel denkt man oft nicht nach, weil einem gar nicht wirklich klar ist, dass man sich daran orientiert.
- Man läuft nicht nackt in der Stadt herum
- Man begrüßt Bekannte
- Man hält die üblichen Abstände zu den anderen ein
- Man spricht je nach Kontext in einer bestimmten Leise- oder Lautstärke
- Man nutzt die rechte Fahrbahn
- Man sagt „Bitte“ und „Danke“ im Alltag
- ...
Ähnliches dürfte über die Lautstärke gelten, in der man spricht und vieles andere mehr. Solche Konventionen können von Region zu Region variieren. Über solche Regel denkt man oft nicht nach, weil einem gar nicht wirklich klar ist, dass man sich daran orientiert.
- Jörn Budesheim
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Du vergisst dabei immer, dass du ja selbst zu den Reichen gehörst. Hier ein Beispiel für eine eklatante Ungerechtigkeit: Reiche Länder nutzen ein Vielfaches an Ressourcen und verursachen deutlich mehr Klimaschäden als ärmere Länder. Das geschieht durch: Autofahren, Flugreisen, Kreuzfahrten, Fleischkonsum, Plastikverbrauch, Textilkonsum, Elektronikgeräte ...
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Ich nehme mal die funktional-technische Regel (Rechts-/Linksverkehr) aus, dann sind das Höflichkeits- und Sittlichkeitsregeln, die die Vorteile und Problematiken der Regelungen offenbaren.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 5. Aug 2024, 07:49Es gibt bei uns viele Regeln im Alltag, die - auch wenn es natürlich auch hier "Verstöße" gibt - im Grunde in Fleisch und Blut übergegangen sind.
- Man läuft nicht nackt in der Stadt herum
- Man begrüßt Bekannte
- Man hält die üblichen Abstände zu den anderen ein
- Man spricht je nach Kontext in einer bestimmten Leise- oder Lautstärke
- Man nutzt die rechte Fahrbahn
- Man sagt „Bitte“ und „Danke“ im Alltag
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Höflichkeitsregeln zeigen schon sprachlich ihre ambivalente Bedeutung an, sie stammen aus der höfischen Zeit, so wie Kleiderordnungen und viele Knigge-Vorschriften (wer grüßt wen zuerst?), die heute zurecht verpönt sind.
Die meisten solcher Regelungen haben durchaus das Ziel, das Zusammenleben reibungsloser zu machen, eine Ordnung zu stabilisieren. Diese Ordnung wird dabei vorausgesetzt und affirmiert. ZB ist das Verbot des Privatbesitzes von Schußwaffen eine sehr sinnvolle Regelung, aber in einem Polizeistaat dient sie der Sicherung eines Gewaltsystems.
Regelungen müssen so umfassend wie möglich hinterfragt werden können, der Maßstab der Hinterfragung muß die universelle Vernunft sein, die ist aber selbst nicht evident. Man müßte sich vorbehaltlos auf seine Reflexionsfähigkeit und die Macht des guten Arguments, auf diesen Willen zum Guten stützen. Auf eine Entwicklung des Ethischen, dieses Grundpfeilers in der aufklärerischen Triade: dem Wahren, Guten, Schönen.
Das betrifft die dialektische Entwicklung von Gesellschaft und Individualität, die äußerlichen Regelungen sollten intrinsische werden, die ethische Selbstbestimmung von Gesellschaft und Individuum. Das klingt verrückt idealistisch, und es ist in der Tat das Hegelsche Konzept der sich entwickelnden Sittlichkeit (was vernünftig ist. ist wirklich, was wirklich ist, wird vernünftig). Aber wenn man es als Weg begreift, nicht als Ziel, ist es für jeden Vernünftigen eine Denknotwendigkeit. Es sei denn, man geht von der Unverbesserlichkeit des Menschen aus.
Ein weiterer Faktor beim Regel-Entwerfen ist vermutlich die eigene Empfindlichkeit. Ich zum Beispiel bin in visuellen, akustischen und gerüchlichen Bereichen hochsensibel. Nicht ultra-hochsensibel, aber deutlich über dem Durchschnitt jedenfalls. Mir fallen Sachen auf, die andere nicht jucken, deshalb ist mir klar, dass ich da keine extra Regeln verlangen kann. Ich kann nur hoffen, dass die Leute von sich aus ein Gespür bekommen. Das ist meistens nicht der Fall, und so muss ich eben leiden und versuchen, mich zu stählen.
Die Unannehmlichkeiten, die ich empfinde, reichen von lustigdoof bis unerträglich. Ein lustigdoofes Beispiel: Eine Podiumsdiskussion dicht am Publikum, ein Diskutant legt das rechte Bein so über das linke, dass der rechte Knöchel über dem linken Knie liegt und die rechte Schuhsohle in die Gesichter des Publikums zeigt oder in das Gesicht eines benachbarten Diskutanten. Precht macht das oft. Ich empfinde dieses Bild als ein "Leck mich an der Sohle". Der Mehrheit fällt das aber nicht auf. Ich will hierfür keine Regel. Es wundert mich nur, wo das Feingefühl bleibt; umgekehrt habe ich selber für viele Sachen kein Feingefühl, worüber sich dann andere über meine Stumpfheit wundern. Aber ich lerne gerne dazu. Kurz gesagt: Die Lust auf Regeländerungen wohl hängt auch vom Lernwillen und von der Kompromissbereitschaft ab. Das sind wohl wieder solche Faktoren, die in geschlossenen Gesellschaften eher weniger ausgeprägt sind. -- Zum Schluss noch ein unerträgliches Beispiel: Musik- und Werbebeschallung im Supermarkt. Das ist nicht mehr lustigdoof. Das ist eine echte Qual.
(Ich meinte jetzt durchweg ungeschriebene Regeln.)
Die Unannehmlichkeiten, die ich empfinde, reichen von lustigdoof bis unerträglich. Ein lustigdoofes Beispiel: Eine Podiumsdiskussion dicht am Publikum, ein Diskutant legt das rechte Bein so über das linke, dass der rechte Knöchel über dem linken Knie liegt und die rechte Schuhsohle in die Gesichter des Publikums zeigt oder in das Gesicht eines benachbarten Diskutanten. Precht macht das oft. Ich empfinde dieses Bild als ein "Leck mich an der Sohle". Der Mehrheit fällt das aber nicht auf. Ich will hierfür keine Regel. Es wundert mich nur, wo das Feingefühl bleibt; umgekehrt habe ich selber für viele Sachen kein Feingefühl, worüber sich dann andere über meine Stumpfheit wundern. Aber ich lerne gerne dazu. Kurz gesagt: Die Lust auf Regeländerungen wohl hängt auch vom Lernwillen und von der Kompromissbereitschaft ab. Das sind wohl wieder solche Faktoren, die in geschlossenen Gesellschaften eher weniger ausgeprägt sind. -- Zum Schluss noch ein unerträgliches Beispiel: Musik- und Werbebeschallung im Supermarkt. Das ist nicht mehr lustigdoof. Das ist eine echte Qual.
(Ich meinte jetzt durchweg ungeschriebene Regeln.)
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