Ich habe nicht auf das Buch geantwortet, das kenne ich nicht, sondern nur auf den kurzen Einleitungstext. Und ich wollte keineswegs Beutelspacher herabsetzen, sondern nur die Werbestrategie zurückweisen, die aus einer Halbwahrheit einen Skandal macht, und aus einer komplizierten, auch bis ins Rätselhafte hineinragenden vollständigen Antwort eine verkürzte über das, was Laien als Zahlen verstehen. Das ist möglicherweise eine erfolgreiche Verkaufsstrategie, aber der Sache der Mathematik wird das nicht gerecht, und das entspricht auch nicht dem, was Beutelspacher sonst für die Mathematikdidaktik mit dem Mathematikum geleistet hat.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 23. Aug 2024, 08:53Dennoch: Dein Text beginnt mit einem ad personam gegen Beutelspacher
Natürlich weiß jeder Mathematiker, und kann es in einfachsten Worten erklären, was eine natürliche, was eine rationale, und auch noch, was eine reelle Zahl ist. Dann wird es freilich schwieriger, die einfachste Erklärung der imaginären Zahl ist eine Zahl im zweidimensionalen Vektorraum mit der Realdimension und der Dimension aller Skalarprodukte mit der imaginären Einheit i. Die Konstruktion ist sehr einfach, was sie bedeutet ist schon recht knifflig.
Das nicht (einfach) erklären zu können, ist kein Skandal, in allen Wissenschaften ist es schwierig, die elaboriertesten Ergebnisse kompakt und verständlich für die Allgemeinheit zu formulieren. Daß die einfache Frage nach einem Grundbegriff von den Wissenschaftlern nicht oder schlecht beantwortet werden kann, nenne ich darum eine Scheinparadoxie, und wie gesagt, die Verunsicherung der Mathematiker bei dieser Frage eine rhetorische Verunsicherung. Soviel zu Deiner Vorbemerkung.
"aber Zahlen als abstrakte Entitäten sind nicht dasselbe wie der konkrete Akt des Zählens, der uns eine Anzahl beschert", da bist Du etwas ahnungslos. Wenn wir im Bereich der endlichen Zahlen bleiben, kann man die Kardinalzahlen mit den Ordinalzahlen identifizieren. Die natürlichen Zahlen sind für sich genommen die Menge der endlichen Kardinalzahlen, sie beschreiben die Mächtigkeit einer Menge. Wenn wir zählen, messen wir die Mächtigkeit einer Anzahl. Messen wir die Anzahl der Menge aller endlichen Kardinalzahlen, kommen wir auf die erste transfinite Kardinalzahl. Die Menge aller natürlichen, geordneten Zahlen führt auch auf die erste transfinite Ordinalzahl. Diese beiden transfiniten Zahlen sind jedoch nicht mehr dieselben.
"Wie lässt sich die Annahme, dass Zahlen als "Gedankendinge" ihren "Ort" im Gehirn haben, mit der Tatsache vereinbaren, dass mathematische Erkenntnisse unabhängig von individuellen Denkprozessen universell gültig sind?"
Mathematische Erkenntnisse sind nicht unabhängig von der Erfindung des Systems des korrekten formalen Denkens, die die Leistung einer großen Gemeinschaft von kooperierenden und kommunikativen Menschen war, die sich auf solch abstraktes Denken eingelassen und die Implikationen dieses Denkansatzes gefunden haben. Die Wahrheit der Mathematik ist mit der Setzung ihrer Objekte, der mathematischen Gedankenobjekte, gegeben, aber sie muß expliziert werden. Wenn nicht mathematisch gedacht wird, gibt es diese Wahrheiten nicht. Sie sind gebunden an denkende Menschen, dann aber stehen sie fest.