40 shades of consciousness

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
Körper
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Do 17. Okt 2024, 18:50

@RoloTomasi:
Hat der Mensch ein Nervensystem?
Falls "ja", wozu ist es da?




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RoloTomasi
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Do 17. Okt 2024, 20:37

@Körper: Du willst lieber nicht zu Consul These Stellung beziehen, OK, dann ist das eben so.

Deine letzte Frage gebe ich gleich mal an Dich zurück: Hat der Mensch Bewusstsein? Ich denke, die Frage passt ganz gut, weil wir ja hier im Thread über Bewusstsein sind.

Ich hatte ja übrigens schon mal angeregt, dass Du selbst einen Thread über den Aufbau und die Funktion des Nervensystems aufmachst. Das wäre doch total sinnvoll, wenn Dir das Thema so sehr am Herzen liegt.



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Consul
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Do 17. Okt 2024, 23:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 17. Okt 2024, 07:56
Consul hat geschrieben :
Mi 16. Okt 2024, 02:10
Beide Arten von Wahrnehmung—die äußere und die innere—finden freilich gleichermaßen im Innenraum des Körpers/Gehirns statt.
Consul hat geschrieben :
Do 17. Okt 2024, 01:59
Wenn ich eine Türe sehe, dann sehe ich keine geistige "Türidee", die die Türe repräsentiert, sondern die Türe selbst.
Wie passt das zusammen? Wenn du die Türe selbst siehst, wie soll dann die Wahrnehmung im Innenraum des Körpers/Gehirns stattfinden? Denn wenn es die Türe selbst ist, die du wahrnimmst, dann müsste sie doch von der Wahrnehmung "umfasst" sein, oder?
Der gesehene äußere Gegenstand wird vom Sehen aufgefasst oder erfasst, indem er dem Seher erscheint—und zwar durch die innere Gesichtserscheinung oder den inneren Gesichtseindruck, die/den der Seher davon hat. Dabei fungiert der sensationale Inhalt des Sehens (d.i. eine bestimmte Farbflächenempfindung) als perzeptiv transparentes phänomenales Medium, durch das der gesehene äußere Gegenstand perzeptiv präsentiert wird. (Im Fall einer visuellen Halluzination handelt es sich bloß um den täuschenden Anschein einer Gegenstandspräsentation.)
Die visuelle Gegenstandserscheinung oder -gegenwärtigung findet in meinem Gehirn statt, aber der visuell erscheinende oder gegenwärtigte Gegenstand bleibt währenddessen außerhalb meines Gehirns (es sei denn, ich sehe mein eigenes Gehirn).



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Consul
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Do 17. Okt 2024, 23:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 16. Okt 2024, 08:28
Consul hat geschrieben :
Mi 16. Okt 2024, 00:20
Bewusstsein ist immer das Bewusstsein eines Individuums und niemals eines Kollektivs von Individuen.
Ich behaupte auch nicht, dass das Bewusstsein, das Bewusstsein eines Kollektivs ist oder etwas in der Art. Ich sage stattdessen, dass das Bewusstsein auch viele soziale Dimensionen hat. Wir sind in jeder Faser soziale Wesen, denke ich. Das ist eine der Voraussetzungen unserer Individualität. Und das sollte sich auch in unserem Erleben niederschlagen.
"Das Selbstbewußtsein ist…ein zwar beschränkter, aber doch echter Innenaspekt. Und es ist keineswegs bloß ein Innenaspekt des seelischen Lebens—gerade als ein solcher wäre er besonders beschränkt, weil ihm die Ichtiefe ebenso verborgen bleibt wie die Tiefe der äußeren Welt—, es ist vielmehr in weit höherem Grade unmittelbare Selbstgegebenheit der mannigfachen Beziehungen, in denen das Ich zur Außenwelt steht. Diese Beziehungen aber bestehen im Erleben und Erfahren, im Hoffen und Fürchten, Lieben und Hassen, Sehnen und Streben, Wollen und Handeln, kurz in der ganzen Reihe der transzendenten Akte. Das Zurechtfinden in der Umwelt, das Erfassen und die Bewältigung lebensaktueller Situationen, Verantwortlichkeit und Zurechenbarkeit, sowie die an ihr hängenden sittlichen Wertmomente sind Gegenstand der inneren Selbstgegebenheit.

Das ist merkwürdig genug, denn auf diese Weise umfaßt die Selbstgegebenheit zugleich einen beträchtlichen Ausschnitt der Außenwelt, in die hinein das menschlich-personale Innere sich in diesen seinen Akten äußert. Das Selbstbewußtsein des Menschen hängt also unlöslich an seinem Bewußtsein des ihm Äußeren; denn eben in den aufgezählten und allen ihnen verwandten Akten ist das Bewußtsein in erster Linie auf den Gegenstand (die Situation, die fremde Person u.s.w.) gerichtet, und das Wissen um den Akt—und also auch das um das eigene Selbst—ist sekundär. Das Selbstbewußtsein des menschlich Inneren ist also nicht ganz so unmittelbar, wie es zunächst zu sein scheint; es hängt bereits am Bewußtsein des Äußeren."

(Hartmann, Nicolai. Der Aufbau der realen Welt: Grundriß der allgemeinen Kategorienlehre. Berlin: De Gruyter, 1940. S. 348)
Dennoch:
"[J]eder Mensch hat sein seelisch Inneres für sich, das niemals in fremdes Seelenleben übergeht; alle Verbundenheit muß den Umweg über die „Äußerung" des Inneren gehen. Es kann keiner dem anderen sein Fühlen vermitteln, wenn der es nicht von sich aus nachfühlen kann; es kann auch niemand einen Gedanken mitteilen, wenn der Andere ihn nicht selbsttätig im eigenen Denken zu vollziehen weiß. Wir sagen dann: der Andere „versteht nicht". Das Verstehen eben ist der selbsttätige Vollzug."

(Hartmann, Nicolai. Der Aufbau der realen Welt: Grundriß der allgemeinen Kategorienlehre. Berlin: De Gruyter, 1940. S. 349)
Allerdings:
"Nicht von gleicher Geschlossenheit ist das menschliche Innere, wenn man es als das der geistig aktiven, sittlichen und rechtlichen Person versteht. Die Personsphäre ist nicht das seelische Leben allein, sie erstreckt sich als Aktions- und Interessensphäre in die Außenwelt hinein und überschneidet sich dort mit fremden Personsphären. Durch diese Überschneidung ist sie zugleich Element der Gemeinschaft, deren Innenkräfte hier eine ihrer Wurzeln haben."

"Dieses Innere transzendiert sich selbst in seinen Akten, es geht durch sie in den Lebenszusammenhang der Personen ein und lebt sich in ihm aus. Es ist in sein eigenes Äußeres hinein verstrickt, es setzt sich in seinen „Äußerungen" in die Welt hinein fort. Und dadurch gibt es einem Ausschnitt dieser Welt den personalen Charakter, den wir im Leben als die Welt des Menschen kennen."

(Hartmann, Nicolai. Der Aufbau der realen Welt: Grundriß der allgemeinen Kategorienlehre. Berlin: De Gruyter, 1940. S. 349+350)



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Consul
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Fr 18. Okt 2024, 00:58

RoloTomasi hat geschrieben :
Do 17. Okt 2024, 13:14
@Consul: Ich sehe auch die Schwierigkeit, auf die Jörn im Post oben hinweist.

Du hattest ja weiter vorher geschrieben: "Die Türe ist "da draußen" ("transzendent"), auch wenn ihre sinnliche Erscheinung in mir (in Gestalt bestimmter Farbflächeneindrücke) "hier drinnen" ("immanent") ist." Da stellt sich mir die Frage: Wieso brauchst Du, wenn Du doch die Tür siehst, irgendwelche Eindrücke oder Sinnesdaten als Vermittler? Diese Sinnesdaten sind ja nicht selbst etwas bewusst Wahrgenommenes, denn Du siehst ja die Tür selbst, nicht ihre Erscheinungen (oder Repräsentanten) in dir. Man braucht das Konzept der Eindrücke oder Sinnesdaten im Grunde nur dann, wenn man die Tür, die ja nach deinen Worten 'draußen' ist, irgendwie ins Innere des Körpers/Gehirns hineinziehen will - die Tür selbst kommt als physisches Ding dummerweise nicht in den Körper rein, wohl aber - wie Du sagst - ihre "Erscheinung" in Gestalt bestimmter Eindrücke. Die Frage ist aber, warum du neben der Tür 'draußen' überhaupt noch irgendwelche inneren Objekte (Sinneseindrücke) als Vermittler hinzusetzt - warum du also neben der gesehenen Tür 'draußen' noch Eindrücke als deren Erscheinung 'drinnen' annimmst. Du könnest doch auch einfach sagen: Was erscheint, ist die Tür. (Das ist ja auch der schlichte phänomenologische Tatbestand, wenn jemand eine Tür sieht.)

Ich will damit sagen: Von Sinnesdaten (Farbflächeneindrücken...) kann in der Wahrnehmung gar nicht die Rede sein; sie gehören, was auch immer sie sein sollen, jedenfalls gar nicht zum bewusst Wahrgenommenen. Sinnesdaten werden aus meiner Sicht zum Wahrnehmungsgeschehen bloß hinzugedacht, um ein bestimmtes theoretisches Modell des Bewusstseins aufrechterhalten zu können: Sie sind eigens zu diesem Zweck erdachte, theoretische Entitäten, die verständlich machen sollen, wie die äußere körperliche Dingwelt mit der inneren Körperwelt zusammenhängen soll. Man braucht Sinneseindrücke nur, wenn man sich fragt: Wie kommt die Welt da draußen in den Körper/das Gehirn da drinnen. (Ich selbst würde gerade sagen: gar nicht!) Aber das Bewusstsein ist doch nicht wie ein Computer, der von außen Daten erhält und diese dann im Innern zu irgendetwas Gegenständlichem verarbeitet. In der Wahrnehmung ist die Tür das dem Bewusstsein Gegebene; sie wahrzunehmen heißt nicht, Tür-Daten aufzunehmen und sie zum Tür-Gegenstand zu verarbeiten. Das wäre ja auch merkwürdig, denn die Tür ist ja schon - in deinen Worten 'außen' - da! Nichts an einer wahrgenommenen Tür legt im Geringsten die Vermutung nahe, dass sie sich irgendeinem Prozess der Datenaufnahme und -verarbeitung verdankt.
Die Sinnesdatentheorie der Wahrnehmung betrachtet Sinnesdaten als mentale Objekte im engen ontologischen Sinn des Wortes—als dingliche Eigenschaftsträger, die selbst keine Eigenschaften von etwas anderem sind. In diesem Sinn sind Sinnesdaten spezielle Objekte, die Träger von Sinnesqualitäten (phänomenalen Qualitäten) sind.
"[S]ense-data are not identical with sense-qualities but are the things which possess or seem to possess sense-qualities."
———
"Sinnesdaten sind nicht identisch mit Sinnesqualitäten, sondern sind diejenigen Dinge, die Sinnesqualitäten besitzen oder zu besitzen scheinen." [meine Übers.]

(Wisdom, John. Problems of Mind and Matter. Cambridge: Cambridge University Press, 1934. p. 142)
Ich teile diese Betrachtungsweise nicht; denn für mich sind als Erscheinungen fungierende Sinnesdaten als Sinneseindrücke (Impressionen) oder Sinnesempfindungen (Sensationen) keine mentalen Objekte, sondern mentale Affektionen oder Passionen von Subjekten.
("Passion" als "Erleidung" im alten Sinn des Wortes, als Gegenteil von "Aktion"—"Leiden" vs. "Tun"—, und ohne die heute vorherrschende Bedeutung "unangenehme, schmerzhafte, qualvolle Erfahrung". In jenem alten Sinn wird auch Freude "erlitten".)

Sinneseindrücke oder -empfindnisse bilden den Inhalt bewusster Sinneswahrnehmung, die allein dadurch bewusst stattfindet, dass sie einen solchen subjektiv erfahrenen Inhalt hat, der als phänomenales Medium der Sinneswahrnehmung fungiert, und ohne den Subjekten gar nichts sinnlich erscheint. Ebendies macht den Unterschied zwischen bewusster und unbewusster Wahrnehmung!

Als Erscheinungen von etwas Äußerem fungierende innere Eindrücke oder Empfindungen werden von ihren Subjekten erfahren/"erlitten" (und auch irgendwie innerlich wahrgenommen); aber sie selbst erscheinen nicht, weil sie als Erscheinungen nicht das Erscheinende sind, sondern das Erscheinen des Erscheinenden. Das Erscheinen erscheint selbst nicht, weil es dasjenige ist, wodurch etwas anderes erscheint.

"Was erscheint, ist die Tür." – Ja, aber ohne das subjektive Erfahren einer Türerscheinung (in Gestalt eines bestimmten Farbflächeneindruckes) erscheint keine Türe! Ich sehe die Türe, indem ich einen bestimmten Gesichtseindruck erlebe oder habe, mittels dessen mir die Türe visuell erscheint.
"Ich mache mit einem Begleiter einen Spaziergang. Ich sehe eine grüne Wiese; ich habe dabei den Gesichtseindruck des Grünen. Ich habe ihn, aber ich sehe ihn nicht."

(Frege, Gottlob. "Der Gedanke: Eine Logische Untersuchung." Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus I (1918/1919): 58-77. Nachdruck in Gottlob Frege: Logische Untersuchungen, hsrg. v. Günther Patzig, 30-53. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1966. S. 40)
"Die Äquivokation, welche es gestattet, als Erscheinung nicht nur das Erlebnis, in dem das Erscheinen des Objektes besteht (z. B. das konkrete Wahrnehmungserlebnis, in dem uns das Objekt vermeintlich selbst gegenwärtig ist), sondern auch das erscheinende Objekt zu bezeichnen, kann nicht scharf genug betont werden. Der Trug dieser Äquivokation verschwindet sofort, sowie man sich phänomenologische Rechenschaft darüber gibt, was denn vom erscheinenden Objekt im Erlebnis der Erscheinung reell vorfindlich sei. Die Dingerscheinung (das Erlebnis) ist nicht das erscheinende Ding (das uns vermeintlich 'Gegenüberstehende'); in dem Bewußtseinszusammenhang erleben wir die Erscheinungen, als in der phänomenalen Welt seiend erscheinen uns die Dinge. Die Erscheinungen selbst erscheinen nicht, sie werden erlebt."

(Husserl, Edmund. Logische Untersuchungen. Zweiter Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Halle: Niemeyer, 1901. S. 328)
"Das Erscheinende nämlich ist nicht die Erscheinung – die Gleichsetzung dieser beiden ist ein proton pseudos – sondern gerade das Reale, das da erscheint. Die Erscheinung ihrerseits erscheint nicht, sondern ist die Erscheinungsweise eines realen Erscheinenden. Das letztere gehört dem Objekt an, während Erscheinung das Erkenntnisgebilde im Subjekt ist. Das Erscheinen ist Objektion. So wenig nun ein Objekt in seiner Objektion an ein Subjekt aufgeht, so wenig geht das Erscheinende in seinem Erscheinen auf. Es ist vielmehr selbst das Ansichseiende, sofern es objiziert ist. Es ist das Seiende, das zum Phänomen (d.h. eben zum Erscheinden, nicht zur Erscheinung) wird."

(Hartmann, Nicolai. Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis. 4. Aufl. Berlin: De Gruyter, 1949. S. 234)



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Jörn Budesheim
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Fr 18. Okt 2024, 08:09

Consul hat geschrieben :
Do 17. Okt 2024, 23:49
(Hartmann, Nicolai. Der Aufbau der realen Welt: Grundriß der allgemeinen Kategorienlehre. Berlin: De Gruyter, 1940. S. 349+350)
Ich hab nicht das Gefühl, dass Hartmann auf meine Beiträge geantwortet hat.




Körper
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Fr 18. Okt 2024, 09:50

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mi 16. Okt 2024, 23:52
Und die bewußte Steuerung läuft wie die Steuerung einer hochkomplizierten Maschine durch einen technischen Laien - er kann sie steuern, ohne von den Mechanismen die leiseste Ahnung zu haben.
Du darfst dir für deine Situation ausmalen, was du möchtest, aber für mich passt das nicht.

Auch ein Laie hätte ein Verständnis vom "Kontakt zur Maschine". Ein Laie wüsste, wie er die Maschine beeinflusst, also was seine Handlung in Bezug auf eine Maschine ist (sagen wir "das Drücken einer Taste").
Nichts davon kommt rund um "Bewusstsein" vor - gar nichts. Die Idee einer Körper-Maschine ist nichts wert.

Man hat mal ein Experiment mit einem "Gehirn-Patienten" durchgeführt, der grundsätzlich zum Experiment einwilligte, aber nicht wusste, wie das Experiment aussehen würde.
Die Forscher/Mediziner haben sein Bewegungszentrum (direkt) stimuliert und der Patient hob daraufhin einen Arm. Anschliessend wurde er gefragt, warum er das gerade gemacht hat.
Seine Antwort war "ich wollte es so".
Soweit die Fakten.

Man könnte nun interpretieren, dass der Patient sein "Wollen" komplett erfunden hat, ohne dass er das bewusst durchschauen kann (vielleicht sogar mit einem "Erleben des Wollens" - Motto: "total freier Wille"), oder man könnte sich ausmalen, dass die Forscher neben der Muskelansteuerung für ein biochemisches Ungleichgewicht gesorgt haben, das der Patient "ganz normal" als "sein Wollen" verwaltet (sozusagen ein "NCC" - "Neural Correlate of Consciousness").

Wie auch immer man es interpretiert, Tatsache bleibt, dass es rund um das Bewusstsein des Patienten nicht zu einer hohen Realitäts-Präzision gekommen ist, sondern nur zu einer "gut harmonischen Plausibilität" ("gut" im Sinne von "funktioniert für den Patienten").

Das Interessante an diesem Experiment ist, dass sich eine Möglichkeit zur Definition von Bewusstsein ergibt:
"Bewusstsein ist ein fortgesetzt plausibler Selbst-Erklärungsversuch (eine Reaktion)"

Das würde sehr gut mit der Anästhesie harmonieren, denn bezogen auf die Definition stoppt man hier die Fortsetzung - es kommt zu einem letzten Schritt, von dem aus es bis zum Abklingen der Betäubung nichts Neues dazukommt (das würde auch erklären, weshalb manche "aufwachenden Narkotisierte" kein Verständnis haben, dass überhaupt Zeit vergangen ist und für sie ein Realitätssprung vorliegt - das Aufwachen wird vermutlich ein Wiederanlaufen der kontinuierlichen Fortsetzung darstellen und somit in Teilen wieder "bewusst erlebt" also "Mit-Erzählt/-Erklärt") .

In dieser Definition ist auch klar enthalten, dass man es nicht mit einem präzisen Werkzeug zum Feststellen von Weltanteilen zu tun hat.
Das "phänomenal Bewusstsein" ergibt sich in Bezug auf diese Definition dadurch, dass die Überzeugung von Qualitativ-Phänomenen die nächst-plausible Selbst-Erklärung darstellt, mehr nicht.
Die Phänomene müssen nirgendwo vorliegen, sondern es muss nur zur "Erklärungs-Geschichte" kommen (und dies entsprechend der Definition auch nicht als "Phänomenal-Geschichte", sondern als Reaktion, deren Umstände mehr oder weniger in die Fortsetzung eingehen).

Ich sehe jedenfalls keine Chance, diesen Umständen mit Ontologie gerecht zu werden.
Mich wundert es nicht, dass Philosophen nicht weiterkommen und letztlich eher nur Hindernisse und Denkfallen beitragen.




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Jörn Budesheim
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Fr 18. Okt 2024, 10:28

Folgende Zutaten sind notwendig für Rührkuchen: Mehl, Butter oder Margarine, (Zucker), Eier, Backpulver oder Natron, Milch oder Wasser. Lässt man die Eier weg, wird es kein Rührkuchen. Daraus folgt aber nicht, dass die Zutat "Ei" hinreichend für Rührkuchen ist. Es zeigt nur, dass sie für Rührkuchen notwendig ist. So verhält es sich auch mit dem Gehirn: Es ist (in welcher Hinsicht auch immer) eine notwendige Bedingung für unser Bewusstsein, aber keine hinreichende. Das Beispiel mit der Anästhesie zeigt zwar, dass das Bewusstsein auf diese Weise „ausschalten“ kann, sagt aber nichts darüber aus, ob das Gehirn allein hinreichend für das Vorliegen Bewusstsein ist.

Ein weiteres Beispiel: Zwar sind für einen Rührkuchen Eier notwendig, aber es gibt auch Kuchen ohne Eier: Mehl, Zucker, Pflanzenöl oder Margarine, Backpulver oder Natron, pflanzliche Milch, Apfelmus oder Banane, Vanilleextrakt. Zwar ist für uns ein Gehirn notwendig, wenn auch nicht hinreichend, aber es kann auch Wesen ohne Gehirn geben, die bewusst sind, so wie es Kuchen ohne Eier gibt, obwohl sie für Rührkuchen notwendig sind.

Kurz gesagt: Der Fokus auf das Gehirn ist in mehreren Hinsichten logisch verfehlt. Daraus, dass das Gehirn für uns notwendig ist, folgt nicht, dass es generell notwendig ist. Und daraus, dass es für uns notwendig ist, folgt auch nicht, dass es für uns eine hinreichende Bedingung darstellt.

Weiterhin folgt nicht, dass zu einer Beschreibung des Bewusstseins eine Beschreibung oder auch nur Erwähnung des ZNS gehört. So wie zur Beschreibung einer Spritztour auch nicht die Beschreibung der Tankfüllung gehört.

Das sind alles von vorne bis hinten klare Fehlargumente, wie man leicht zeigen kann.




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Jörn Budesheim
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Fr 18. Okt 2024, 10:29

Körper hat geschrieben :
Fr 18. Okt 2024, 09:50
Mich wundert es nicht, dass Philosophen nicht weiterkommen und letztlich eher nur Hindernisse und Denkfallen beitragen.
Warum engagierst du dich dann nicht in einem ZNS-Forum?




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