Kommende Generationen

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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So 1. Dez 2024, 17:25

Schulden wir den nächsten Generationen etwas? Das heißt auch, Menschen die bisher noch nicht einmal geboren sind.




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Quk
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So 1. Dez 2024, 21:48

Neulich war Markus Gabriel bei Tilo Jung; vielleicht hast Du es auch gehört. Gabriel meinte, wenn ich mich richtig entsinne, dass die im Grundgesetz stehende Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen nur für 150 Jahre gelte, oder so ähnlich, nicht für die nächsten Jahrmillionen.

Ich denke, je ferner ein Zukunfts-Ausschnitt liegt, desto weniger bin ich als Person und als Gesellschaftsteil an sehr späten Folgen schuld oder ursächlich. Begründung: Je größer die Zeit-Distanz, desto größer der chaotische Einfluss jenseits meines persönlichen Einflusses.

Wenn in 1000 Jahren der Vesuv nochmal katastrophal ausbricht, wird es nicht klar sein, ob dessen Ursache in ehemaligen menschlichen Tiefbohrungen lag oder im geologischen Chaos.

Ähnliches gilt wohl für Vorgänge in der Politik und so weiter.




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Jörn Budesheim
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Mo 2. Dez 2024, 15:36

Ich lese Deine Antwort so: Ja, wir schulden den nächsten Generationen etwas, aber nur das, wofür wir auch verantwortlich sein sind.




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Quk
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Mo 2. Dez 2024, 22:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 2. Dez 2024, 15:36
Ich lese Deine Antwort so: Ja, wir schulden den nächsten Generationen etwas, aber nur das, wofür wir auch verantwortlich sein sind.
Das Wörtchen "nur" in Deinem Satz zeigt, dass Du den Begriff Verantwortung kleiner fasst als ich. Unter diesem Begriff verstehe ich nicht nur dasjenige, was die Faulen das Allernotwendigste nennen. Das sage ich jetzt als einer, der auch gerne faul ist.

Wir sollten nicht nur in bestehenden Feldern aktiv sein -- Hungervermeidung, Klimaschutz, Friedenserhalt etc. --, sondern auch weiter forschen und nachdenken in bisher unbekannten Feldern, die sich bisher vielleicht so anfühlen, als seien wir nicht verantwortlich für sie. In unserer Vermutung, dass es Aktionsmöglichkeiten gibt hinsichtlich weiterem, bisher unbekanntem Positivem, ist unsere Unterlassung in diese Richtung eine aktive Unterlassung. Dies nicht zu unterlassen gehört meiner Auffassung nach ebenfalls zu unserer Verantwortung, zumindest für jene unter uns, die diese zusätzlichen, neuen Möglichkeiten in Betracht ziehen. Kurzgesagt: Wir sind fähig, mehr zu tun als nur die juristisch-gesetzliche Pflicht.

Jetzt sind wir im Kapitel "Definiere Verantwortung". In meinem vorigen Kommentar war ich im Kapitel "Definiere das Zeitfenster". Das scheint nicht so wichtig zu sein. Es zählt wahrscheinlich allein der Zukunftsblick an sich, egal wie weit der sein mag.




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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2024, 08:05

Quk hat geschrieben :
Mo 2. Dez 2024, 22:19
Das Wörtchen "nur" in Deinem Satz zeigt, dass Du den Begriff Verantwortung kleiner fasst als ich.
Das Wörtchen "nur" bezieht sich nur auf die Einschränkungen, die du selbst machst: "Ich denke, je ferner ein Zukunfts-Ausschnitt liegt, desto weniger bin ich als Person und als Gesellschaftsteil an sehr späten Folgen schuld oder ursächlich."




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Quk
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Di 3. Dez 2024, 09:06

Meine "Einschränkungen" bezogen sich auf den Zeitraum. Du redest stattdessen vom Verantwortungsraum.

Was genau willst Du mir denn mitteilen? :-)




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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2024, 09:18

Quk hat geschrieben :
Di 3. Dez 2024, 09:06
Was genau willst Du mir denn mitteilen? :-)
Ich hab' versucht, eine Paraphrase Deines Textes zu schreiben. Deswegen hab ich meine Bemerkung auch wie folgt eingeleitet: "Ich lese Deine Antwort so:..."




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Quk
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Di 3. Dez 2024, 09:26

Stimmst Du der Paraphrase zu? Fehlt etwas, Deiner Ansicht nach?




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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2024, 10:32

Quk hat geschrieben :
Di 3. Dez 2024, 09:26
Stimmst Du der Paraphrase zu? Fehlt etwas, Deiner Ansicht nach?
:-)

Du stimmst doch der Paraphrase von mir nicht zu, Du hast sie ja moniert. Hier:
Quk hat geschrieben :
Mo 2. Dez 2024, 22:19
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 2. Dez 2024, 15:36
Ich lese Deine Antwort so: Ja, wir schulden den nächsten Generationen etwas, aber nur das, wofür wir auch verantwortlich sein sind.
Das Wörtchen "nur" in Deinem Satz zeigt, dass Du den Begriff Verantwortung kleiner fasst als ich. Unter diesem Begriff verstehe ich nicht nur dasjenige, was die Faulen das Allernotwendigste nennen. Das sage ich jetzt als einer, der auch gerne faul ist.

Wir sollten nicht nur in bestehenden Feldern aktiv sein -- Hungervermeidung, Klimaschutz, Friedenserhalt etc. --, sondern auch weiter forschen und nachdenken in bisher unbekannten Feldern, die sich bisher vielleicht so anfühlen, als seien wir nicht verantwortlich für sie. In unserer Vermutung, dass es Aktionsmöglichkeiten gibt hinsichtlich weiterem, bisher unbekanntem Positivem, ist unsere Unterlassung in diese Richtung eine aktive Unterlassung. Dies nicht zu unterlassen gehört meiner Auffassung nach ebenfalls zu unserer Verantwortung, zumindest für jene unter uns, die diese zusätzlichen, neuen Möglichkeiten in Betracht ziehen. Kurzgesagt: Wir sind fähig, mehr zu tun als nur die juristisch-gesetzliche Pflicht.

Jetzt sind wir im Kapitel "Definiere Verantwortung". In meinem vorigen Kommentar war ich im Kapitel "Definiere das Zeitfenster". Das scheint nicht so wichtig zu sein. Es zählt wahrscheinlich allein der Zukunftsblick an sich, egal wie weit der sein mag.
Ich selbst denke, (vermutlich) ebenso wie Du, dass wir auch zukünftigen Generationen etwas schulden. Aber wir können (trivialerweise) nur das tun, was uns möglich ist. Was das jeweils bedeutet, müsste man diskutieren.




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Quk
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Di 3. Dez 2024, 11:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 3. Dez 2024, 10:32
:-)

Du stimmst doch der Paraphrase von mir nicht zu, Du hast sie ja moniert.
Das kommt darauf an, ob Du die Begriffe "Verantwortung" und "Möglichkeiten" so weit fasst wie ich. Das Wörtchen "nur" in Deiner Übersetzung klingt so, als hätte ich etwas ausgelassen.

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 3. Dez 2024, 10:32
Aber wir können (trivialerweise) nur das tun, was uns möglich ist. Was das jeweils bedeutet, müsste man diskutieren.
Ja.




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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2024, 11:10

Quk hat geschrieben :
So 1. Dez 2024, 21:48
die im Grundgesetz stehende Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen
Das Bundesverfassungsgericht betont, nach meinem Verständnis, (ich verstehe nicht alles, was da steht) dass der Staat nicht nur das Leben und die Gesundheit der heutigen Bevölkerung, sondern auch die Freiheit und Lebensgrundlagen künftiger Generationen schützen muss. Dazu gehört auch der Schutz vor Klimawandel, weil dieser die Freiheit der nachfolgenden Generationen bedroht. Der Übergang zu Klimaneutralität soll rechtzeitig eingeleitet werden. Es geht darum, die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren, damit kommende Generationen sie nutzen können, ohne dafür drastische Einschränkungen hinnehmen zu müssen.

Das Gericht fordert transparente Regeln und Maßnahmen, die sicherstellen, dass der Klimaschutz nicht zum Sanktnimmerleinstag aufgeschoben wird. Allerdings: "Art. 20a GG genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Dabei nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu."
www.bundesverfassungsgericht.de hat geschrieben : 1. Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.

2. Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.

Art. 20a GG genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Dabei nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu.

Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, schließt die durch Art. 20a GG dem Gesetzgeber auch zugunsten künftiger Generationen aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht ein, bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.

Als Klimaschutzgebot hat Art. 20a GG eine internationale Dimension. Der nationalen Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erderwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt. Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.

In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel des Art. 20a GG aktuell verfassungsrechtlich zulässig dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist.

Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll.

3. Die Vereinbarkeit mit Art. 20a GG ist Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung staatlicher Eingriffe in Grundrechte.

4. Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.

Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.

5. Der Gesetzgeber muss die erforderlichen Regelungen zur Größe der für bestimmte Zeiträume insgesamt zugelassenen Emissionsmengen selbst treffen. Eine schlichte Parlamentsbeteiligung durch Zustimmung des Bundestags zu Verordnungen der Bundesregierung kann ein Gesetzgebungsverfahren bei der Regelung zulässiger Emissionsmengen nicht ersetzen, weil hier gerade die besondere Öffentlichkeitsfunktion des Gesetzgebungsverfahrens Grund für die Notwendigkeit gesetzlicher Regelung ist. Zwar kann eine gesetzliche Fixierung in Rechtsbereichen, die ständig neuer Entwicklung und Erkenntnis unterworfen sind, dem Grundrechtsschutz auch abträglich sein. Der dort tragende Gedanke dynamischen Grundrechtsschutzes (grundlegend BVerfGE 49, 89 <137>) kann dem Gesetzeserfordernis hier aber nicht entgegengehalten werden. Die Herausforderung liegt nicht darin, zum Schutz der Grundrechte regulatorisch mit Entwicklung und Erkenntnis Schritt zu halten, sondern es geht vielmehr darum, weitere Entwicklungen zum Schutz der Grundrechte regulatorisch überhaupt erst zu ermöglichen.




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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2024, 11:22

Quk hat geschrieben :
Di 3. Dez 2024, 11:04
Das Wörtchen "nur" in Deiner Übersetzung klingt so, als hätte ich etwas ausgelassen.
Das verstehe ich nicht wirklich. Das Wörtchen "nur" bezieht sich, wie gesagt, hierauf: "Ich denke, je ferner ein Zukunfts-Ausschnitt liegt, desto weniger bin ich als Person und als Gesellschaftsteil an sehr späten Folgen schuld oder ursächlich." "Nur" verweist nur auf Einschränkungen, die Du selbst machst. In dem Zitat steht nach meinem Verständnis, dass wir nicht für alles verantwortlich sein können.




Wolfgang Endemann
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Di 3. Dez 2024, 13:17

Die Mitglieder der Gattung Mensch verfügen über viele Freiheitsgrade des Handelns. Moral ist eine menschliche Erfindung, die es ermöglicht, diese Handlungsvielfalt einzuschränken. So ist die Geschichte der Menschheit auch eine Geschichte der Entwicklung von Moralsystemen. Darüberhinaus geht zunehmend die Außensteuerung in eine Innensteuerung der sich selbst bestimmenden Gesellschaft über, die an die Stelle von Moral die Selbstverpflichtung setzt. Das schließt ein, daß es keine absolute Moral gibt, man nicht im Interesse, dh der Selbstbestimmung zukünftiger Generationen handeln kann, weil es die Freiheit der zukünftigen Generationen ist, wie sie leben wollen, was in ihren Augen getan werden muß.

Wir können uns nur auf das verpflichten, was wir als richtig bzw wünschenswert betrachten. Hier ist unsere Vernunft gefragt, nicht unsere Moral. Anders ausgedrückt: Je aufgeklärter eine Gesellschaft ist, desto weniger bedarf sie der Moral. Da allerdings der Mensch kein reines Vernunftwesen ist, dürfte immer die Notwendigkeit bestehen bleiben für eine durch gesellschaftliche Institutionen aufrechterhaltene Restzwangsmoral.




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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2024, 13:21

Quk hat geschrieben :
Mo 2. Dez 2024, 22:19
Wir sollten nicht nur in bestehenden Feldern aktiv sein -- Hungervermeidung, Klimaschutz, Friedenserhalt etc. --, sondern auch weiter forschen und nachdenken in bisher unbekannten Feldern, die sich bisher vielleicht so anfühlen, als seien wir nicht verantwortlich für sie. In unserer Vermutung, dass es Aktionsmöglichkeiten gibt hinsichtlich weiterem, bisher unbekanntem Positivem, ist unsere Unterlassung in diese Richtung eine aktive Unterlassung. Dies nicht zu unterlassen gehört meiner Auffassung nach ebenfalls zu unserer Verantwortung, zumindest für jene unter uns, die diese zusätzlichen, neuen Möglichkeiten in Betracht ziehen. Kurzgesagt: Wir sind fähig, mehr zu tun als nur die juristisch-gesetzliche Pflicht.
Wenn wir bei der Hungerbekämpfung, beim Klimaschutz, bei der Friedenssicherung etwas erreichen, wäre schon sehr viel gewonnen. Aber beim "Reaktiven" muss es nicht bleiben, finde ich auch. Auch die Idee, in einer Art (proaktiven) "experimenteller Zukunftsforschung" zu fragen, wie man darüber hinaus die Erde zu einem schöneren und besseren Ort machen kann, finde ich gut.




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Stefanie
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Di 3. Dez 2024, 18:21

Was verstehst Du denn nicht in den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts?



Der, die, das.
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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2024, 18:52

Bei Punkt 5 z.b höre ich nach ein zwei Zeilen auf, es überhaupt zu lesen.




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Stefanie
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Di 3. Dez 2024, 21:44

Das habe ich mit gedacht. Punkt 5 ist ein sehr wichtiger Punkt. Es ist nämlich der einzige Punkt, indem die Verfassungsbeschwerden erfolgreich waren.
Hier ist es etwas anders formuliert:
https://verfassungsblog.de/zwei-jahre-k ... sgerichts/

Erfolgreich waren die Verfassungsbeschwerden nur in Bezug auf einen eigentlich ganz untergeordneten Punkt. Es ging um die Quantifizierung der Vorgaben für die Reduktion der Treibhausgasemissionen in den Jahren nach 2030. Nach der ursprünglichen Fassung des Klimaschutzgesetzes sollten diese Schritte durch eine Verordnung der Bundesregierung festgelegt werden. Mit einer weit ausholenden Begründung, in der Klimaschutzpflichten aus dem Staatsziel Umweltschutz in Art. 20a GG mit dem neuen Konzept der intertemporalen Freiheitssicherung verknüpft wurden, leitete das Gericht ab, dass diese Frage so wichtig sei, dass die Festlegung nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen könne. Im Ergebnis bedeutete dies aber nur, dass eine Anlage des Klimaschutzgesetzes ergänzt werden musste, was dann auch im Bundestag ohne politischen Streit zügig beschlossen wurde.
Ich versuche es mal einfach.
Die Bundesregierung verabschiedet und beschließt kein Gesetz. Das macht der Bundestag. Er ist der Gesetzgeber. Dafür gibt es ein Verfahren, Lesungen etc. In einem Gesetz kann dann drin stehen, dass z.B. ein Bundesminister näheres in einer Rechtsverordnung regeln kann. Die bekannteste Rechtsverordnung ist die Straßenverkehrsordnung, die beliebte StVO und der Bußgeldkatalog. Die beschließt nicht der Bundestag in einem Gesetzgebungsverfahren, sondern wird durch den Verkehrsminister festgelegt. Der Bundesrat muss zustimmen.
Beim Klimaschutzgesetz wurde die Bundesregierung ermächtigt, die Emmisonsreduzierung ab 2030 durch eine Rechtsverordnung festzulegen. Also ein Gesetzgebungsverfahren mit Lesungen etc. war nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte auch bemängelt, dass im Gesetz Regelungen nicht konkret genug sind.
2024 wurde das Gesetz dann geändert, so dass es jetzt den formellen Anforderungen entspricht.

Parlamentsgesetze, also vom Bundestag oder vom Landtag beschlossene Gesetze sind formelle und materielle Gesetze.
Rechtsverordnungen sind materielle Gesetze.
Und es muss immer in einem formellen und materiellen Gesetze drin stehen, dass eine Rechtsverordnung zu Punkt x erlassen werden kann.
Die Coronaschutzverordnungen waren Rechtsverordnungen der Länder, ermächtigt dazu durch das Infektionsschutzgesetz, ein formelles und materielles Gesetz des Bundes. Diese Regelung gab es schon vor Corona. Das konnte ich mir jetzt verkneifen,



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Stefanie
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Di 3. Dez 2024, 22:09

Das interessante an dem Urteil sind die Ausführungen zum Art. 20a und die Auswirkungen auf zukünftige Generationen.
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 1-031.html

"Zu den zu beachtenden Grundsätzen zählt auch Art. 20a GG. Zum anderen setzt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung voraus, dass die Emissionsmengenregelungen nicht zu unverhältnismäßigen Belastungen der künftigen Freiheit der Beschwerdeführenden führen."
Hinweis: Dies waren sehr junge Personen, auch unter 18 jährige.

Oder
"Danach darf nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde."

Zumindest schulden wir den nächsten Generationen, dass wir es uns nicht leicht machen, mit der Folge, dass die nachfolgenden Generationen es dafür doppelt so schwer haben werden und mehr Eingriffe des Staates dulden müssen.



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Stefanie
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Mi 4. Dez 2024, 18:59

Was wir meiner Meinung nach den nächsten Generationen quasi als Erbschaft hinterlassen müssen, sind, wie man so schön sagt, geordnete Verhältnisse. Damit meine ich eine starke Demokratie, einen Sozialstaat und einen Rechtsstaat. Das bedeutet, das Verständnis für Demokratie muss jetzt gestärkt und vermittelt werden. Ohne eine stabile, demokratische politische Lage wird das nichts u.a. mit dem Klimaschutz.
Und es gilt nicht nur in die Wirtschaft zu investieren. Es muss auch in die nächsten Generationen investiert werden. In Schulen, Kindergärten, Unterstützung und Förderung von Kinder und Jugendlichen. Für alle Kinder und Jugendliche.
Was passiert aber schon wieder bei klammen Haushaltskassen. Kürzungen im sozialen Bereich. Hier weniger Geld für OGS, dort Kürzungen für Angebote in Brennpunktstadteilen, Kürzungen in der Betreuung von Kindern mit Einschränkungen usw. Von Angeboten für Jugendliche ganz zuschweigen.



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Do 5. Dez 2024, 08:42

Stefanie hat geschrieben :
Mi 4. Dez 2024, 18:59
Was wir meiner Meinung nach den nächsten Generationen quasi als Erbschaft hinterlassen müssen, sind, wie man so schön sagt, geordnete Verhältnisse. Damit meine ich eine starke Demokratie, einen Sozialstaat und einen Rechtsstaat. Das bedeutet, das Verständnis für Demokratie muss jetzt gestärkt und vermittelt werden. Ohne eine stabile, demokratische politische Lage wird das nichts u.a. mit dem Klimaschutz.
Und es gilt nicht nur in die Wirtschaft zu investieren. Es muss auch in die nächsten Generationen investiert werden. In Schulen, Kindergärten, Unterstützung und Förderung von Kinder und Jugendlichen. Für alle Kinder und Jugendliche.
Was passiert aber schon wieder bei klammen Haushaltskassen. Kürzungen im sozialen Bereich. Hier weniger Geld für OGS, dort Kürzungen für Angebote in Brennpunktstadteilen, Kürzungen in der Betreuung von Kindern mit Einschränkungen usw. Von Angeboten für Jugendliche ganz zuschweigen.
Meine vorläufige Skizze:

Eine starke Demokratie
Eine lebendige Demokratie basiert auf den Grundwerten von Freiheit, Gleichheit und Menschenrechten. Demokratische Entscheidungen erfordern informierte Bürgerinnen und Bürger, die die Konsequenzen ihrer Wahl verstehen – gerade bei entscheidenden Themen wie dem Klimaschutz. Deshalb gilt:

Bildung und Wohlstand für alle
Bildung ist ein Schlüssel zu kritischem Denken und einem selbstbestimmten Leben in Freiheit. Eine Gesellschaft, die allen Zugang zu hochwertiger Bildung ermöglicht, schafft die Grundlage für Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Wohlstand sollte jedoch nicht nur bedeuten, mehr Geld auf dem Konto zu haben. Lebensqualität und soziale Fairness zählen ebenso, nicht allein das Bruttoinlandsprodukt.

Eine ökologische und gerechte Wirtschaft
Unsere Wirtschaftsweise darf nicht länger auf Beherrschung und der Ausbeutung von Natur und Menschen beruhen. Wir brauchen Modelle, die ökologisch tragfähig und sozial gerecht sind. Die Kosten für umweltschädliches Verhalten dürfen nicht "sozialisiert" werden. Dabei ist jedoch wichtig, dass der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft auch sozial verträglich gestaltet wird. Werden die tatsächlichen Umweltkosten beispielsweise direkt in den Preis der Produkte integriert, würde vieles schnell so teuer werden, dass es nur noch für Wohlhabende erschwinglich wäre. Um soziale Ungleichheit zu vermeiden, bedarf es gezielter Maßnahmen, die Menschen mit geringem Einkommen aktiv zu entlasten.

Freie Naturwissenschaften
Ohne die Arbeit der Naturwissenschaften gibt es keinen Weg aus den Krisen unserer Zeit. Aber: Naturwissenschaften können uns keine Werte vermitteln. Daher ...

Mehr Poesie
Poesie führt uns in Welten jenseits des Funktionalen, Beherrschbaren und Verwertbaren. Sie lenkt den Blick auf Schönheit, Staunen und Faszination – auf die Vielfalt und Unberechenbarkeit unserer Existenz, die sich nie vollständig in Zahlen oder naturwissenschaftlichen Fakten erschöpfen lässt. Eine poetisierte Gesellschaft versteht sich als Teil der lebendigen Natur und bewahrt sich zugleich den Sinn für das Abgründige und Rätselhafte unseres Daseins

Mehr Philosophie
Philosophie bedeutet (auch), die Grundlagen unseres Denkens und Handelns zu hinterfragen und neue Wege zu denken. Gerade in Krisenzeiten ist philosophische Reflexion unverzichtbar, um Orientierung zu finden und Werte zu finden, die uns tragen.

Kurz: Eine neue, romantische Aufklärung
Wir brauchen eine Aufklärung, die nicht in den Grenzen des 18. Jahrhunderts bleibt, sondern sie erneuert und weiter führt. Sie muss die globalen Herausforderungen unserer Zeit aufnehmen, kulturelle Vielfalt respektieren und einen Universalismus entwickeln, der niemanden ausschließt oder dominiert. Stattdessen sollte sie alle in Freiheit und Gleichheit verbinden. Jede Jeck ist anders.




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