Und ich möchte noch etwas zu der hier zitierten Aussage von Wittgenstein machen: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." Dieser Satz macht nur Sinn, wenn man keine mathematischen oder logischen Sätze meint, er müßte richtig formuliert werden: "Einen empirische Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." Er läßt sich nicht auf Frege beziehen, da Frege ja alle Sätze in eine mathematisch-logische Form bringen möchte. Er macht, wie ich schon sagte, nicht den Unterschied zwischen formalen und inhaltlichen Sätzen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 28. Dez 2024, 18:23Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." (Wittgenstein)
Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist
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[Mod] Das ist eine Auskopplung aus dem Faden "Was sind Begriffe?"
Das bedeutet nicht, dass man wissen muss, ob ein Satz wahr ist, um ihn zu verstehen; denn man kann ihn auch ohne Kenntnis seines Wahrheitswertes verstehen.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 00:15Und ich möchte noch etwas zu der hier zitierten Aussage von Wittgenstein machen: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist."
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
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Um auch dieser Stelle meine Präferenz für Beispiele zu belegen!
Nehmen wir beispielsweise den Satz: Nichts ist schneller als die Lichtgeschwindigkeit
Wenn es bei Wittgenstein heißt: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist."
… und wir davon ausgehen, dass dieser Satz wahr ist, dann verstehen wir diesen Satz, wenn wir wissen, dass genau das der Fall ist. Wenn wir nicht wissen, dass "Nichts schneller ist, als die Lichtgeschwindigkeit" der Fall ist und es gab sicherlich eine Zeit, wo genau das zutraf, dann verstehen wir den Satz nicht, obgleich er wahr ist. Wahr wurde er allerdings erst, als man durch eine Messung feststellte, dass das der Fall war. Somit ich einmal denke, dass Wittgenstein uns damit sagen wollte, dass zum Verstehen eines Satzes das Wissen, was der Fall ist, buchstäblich vor der Wahrheit steht. Wie übrigens dergleichen auch vor den Begriffen stehen sollte. Um dazu auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen. Hat sich doch erst mit einer Messung, das nichts schneller ist , der Begriff der Lichtgeschwindigkeit auf diese Weise etabliert. Nach Frege eine Art des Gegebenseins der Lichtgeschwindigkeit.
Wir hätten es als hier somit drei unterschiedliche Arten des Gegebenseins dessen zu tun , was der Bezeichnung der Lichtgeschwindigkeit entspricht.
Nehmen wir beispielsweise den Satz: Nichts ist schneller als die Lichtgeschwindigkeit
Wenn es bei Wittgenstein heißt: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist."
… und wir davon ausgehen, dass dieser Satz wahr ist, dann verstehen wir diesen Satz, wenn wir wissen, dass genau das der Fall ist. Wenn wir nicht wissen, dass "Nichts schneller ist, als die Lichtgeschwindigkeit" der Fall ist und es gab sicherlich eine Zeit, wo genau das zutraf, dann verstehen wir den Satz nicht, obgleich er wahr ist. Wahr wurde er allerdings erst, als man durch eine Messung feststellte, dass das der Fall war. Somit ich einmal denke, dass Wittgenstein uns damit sagen wollte, dass zum Verstehen eines Satzes das Wissen, was der Fall ist, buchstäblich vor der Wahrheit steht. Wie übrigens dergleichen auch vor den Begriffen stehen sollte. Um dazu auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen. Hat sich doch erst mit einer Messung, das nichts schneller ist , der Begriff der Lichtgeschwindigkeit auf diese Weise etabliert. Nach Frege eine Art des Gegebenseins der Lichtgeschwindigkeit.
- "Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zustande kommen, daß der Unterschied des Zeichens einem Unterschiede in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht"
Gottlob Frege ..Über Sinn und Bedeutung
Wir hätten es als hier somit drei unterschiedliche Arten des Gegebenseins dessen zu tun , was der Bezeichnung der Lichtgeschwindigkeit entspricht.
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Nein, ich habe ja den Satz so korrigiert, daß er richtig ist. Auch Deinen Satz würde ich so korrigieren: Man muß nicht wissen, ob ein empirischer/naturwissenschaftlicher Satz wahr ist, um ihn zu verstehen. Auf logisch-mathematische Sätze trifft er nicht zu, da sie apriori wahr sind. Dafür muß man nicht wissen, was der Fall ist.Consul hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 00:26Das bedeutet nicht, dass man wissen muss, ob ein Satz wahr ist, um ihn zu verstehen; denn man kann ihn auch ohne Kenntnis seines Wahrheitswertes verstehen.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 00:15Und ich möchte noch etwas zu der hier zitierten Aussage von Wittgenstein machen: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist."
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Sehr gutes Beispiel. Es zeigt, daß/wie der Wittgensteinsche Satz (Satz 4.924) genau die naturwissenschaftlichen Begriffe trifft. Und für den frühen Wittgenstein ist alle Wissenschaft Naturwissenschaft oder esoterische Spekulation, ist die Logik das Spiegelbild der Welt. Daraus ergibt sich das Fregesche und das Hilbertsche Programm der wissenschaftlichen Erfassung der Welt; dessen, was der Fall ist.Timberlake hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 03:00Um auch dieser Stelle meine Präferenz für Beispiele zu belegen!
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- Wittgenstein: "Einen Satz verstehen heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist."
- Wolfgang: "Man muß nicht wissen, ob ein empirischer/naturwissenschaftlicher Satz wahr ist, um ihn zu verstehen."
- Was Wittgenstein nicht sagt: "Um einen Satz zu verstehen, muss man wissen, ob er wahr ist." (Dies wäre vage so etwas wie eine "Verifikationstheorie" der Bedeutung.)
- Was Wittgenstein sagt: "Einen Satz verstehen heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist." (Es geht um das Wissen um die möglichen Sachverhalte, die den Satz wahr machen würden.)
Wolfgang, da du a priori gültige Sätze aus dem Gültigkeitsbereich von Wittgensteins Satz ausschließen willst, muss ich vermuten, dass du ihn fälschlicherweise verifikationistisch interpretierst. Anders kann ich mir nicht erklären, warum logische oder mathematische Sätze nicht unter Wittgensteins Definition von „Verstehen“ fallen sollten. „Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist“ – das gilt doch offensichtlich für „7 + 5 = 12“ genauso wie für „Der Mond ist aus Käse“.
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Ich verstehe nicht, warum Du systematisch mißverstehst, was ich sage.
Ich habe auf Consul geantwortet, meine Antwort auf Wittgenstein war eine andere. Consul hat zurecht darauf hingewiesen, daß in dem Satz von Wittgenstein nicht vorausgesetzt werden muß, daß ein Satz wahr ist. Ich hatte also Wittgenstein korrigiert und habe dann entsprechend Consul korrigiert.
Wenn Dir das eine oder das andere nicht gefällt, dann antworte darauf. Aber verwechsle nicht die Originalaussage mit der von Consul, und nicht meine freilich parallelen Korrekturen. Selbstverständlich kann man kritisieren, wie ich korrigiert habe. Aber bitte Argumente, nicht falsche Zuschreibungen.
Ich habe auf Consul geantwortet, meine Antwort auf Wittgenstein war eine andere. Consul hat zurecht darauf hingewiesen, daß in dem Satz von Wittgenstein nicht vorausgesetzt werden muß, daß ein Satz wahr ist. Ich hatte also Wittgenstein korrigiert und habe dann entsprechend Consul korrigiert.
Wenn Dir das eine oder das andere nicht gefällt, dann antworte darauf. Aber verwechsle nicht die Originalaussage mit der von Consul, und nicht meine freilich parallelen Korrekturen. Selbstverständlich kann man kritisieren, wie ich korrigiert habe. Aber bitte Argumente, nicht falsche Zuschreibungen.
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Nein. Ich verstehe ja, daß der Formalismus Dich nervt, aber der tractatus ist nun mal streng logisch verfaßt. "heißt" bedeutet also die logische Äquivalenz. Damit wird der Wittgensteinsche Satz zu:Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 13:08
Du verwechselst den Satz von Wittgenstein gerade mit dem Satz, von dem sich Wittgenstein abhebt.
"ich verstehe einen Satz" ↔ "ich weiß, was der Fall ist, wenn der Satz wahr ist". Ich formuliere die Implikation nach "ich weiß":
"ich verstehe einen Satz" genau dann, wenn "<der Satz ist wahr> → <ich weiß, was der Fall ist>". Die Implikation kann ich umkehren:
"ich verstehe einen Satz" ↔ "<ich weiß nicht, was der Fall ist> → <der Satz ist nicht wahr>"
Egal, welche der beiden Formulierungen Du bevorzugst, es gilt in jedem Falle, daß ein mathematischer, bewiesener Satz nicht davon abhängt, was der Fall ist. Also kann ich nach dieser Formulierung keinen mathematisch bewiesenen Satz verstehen. Das ist Unsinn, oder man schränkt ihn auf empirische Sätze, für die gilt, daß ich wissen kann, ob sie der Fall sind oder nicht, ein. Dann sagt Wittgensteins Satz 4.024 (das 4.924 ist ein Versehen, 9 und 0 liegen zu dicht beieinander) genau das aus, was er aussagen soll, daß empirisches Wissen davon abhängt, daß man weiß, was der Fall ist.
Diesem korrigierten Satz stimme ich zu, allerdings meint Wittgenstein genau den unkorrigierten Satz, und das entspricht seinem ursprünglichen Positivismus (dem des tractatus).
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Ad personam Argumente sind nicht hilfreich.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 14:56Nein. Ich verstehe ja, daß der Formalismus Dich nervt
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Wolfgang, du scheinst „was der Fall ist“ auf empirische Tatsachen zu beschränken. Aber auch mathematische Sätze beschreiben Sachverhalte, nämlich notwendige Beziehungen. „7 + 5 = 12“ beschreibt einen Sachverhalt in der Mathematik. Daher gilt Wittgensteins Satz auch für mathematische Aussagen.Wolfgang Endemann hat geschrieben : Egal, welche der beiden Formulierungen Du bevorzugst, es gilt in jedem Falle, daß ein mathematischer, bewiesener Satz nicht davon abhängt, was der Fall ist.
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Das würde jedem ernsthaften Sprechen den Boden entziehen. Wenn "was der Fall ist" nicht mehr unmittelbares Sein bedeutet, bedeutet es gar nichts mehr. Denn auch ein Unsinnssatz ist dann ja der Fall.
Und das entspricht in keinster Weise dem, was Wittgenstein zur Zeit des tractatus sagen wollte.
Und das entspricht in keinster Weise dem, was Wittgenstein zur Zeit des tractatus sagen wollte.
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.. ich ergänze .. was der Fall ist , wenn Gödels Unvollständigkeitssätze nicht der Fall sind. Wo hier schon mal daraus zitiert , dazu vielleicht passend ...Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 11:25Sehr gutes Beispiel. Es zeigt, daß/wie der Wittgensteinsche Satz (Satz 4.924) genau die naturwissenschaftlichen Begriffe trifft. Und für den frühen Wittgenstein ist alle Wissenschaft Naturwissenschaft oder esoterische Spekulation, ist die Logik das Spiegelbild der Welt. Daraus ergibt sich das Fregesche und das Hilbertsche Programm der wissenschaftlichen Erfassung der Welt; dessen, was der Fall ist.Timberlake hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 03:00Um auch dieser Stelle meine Präferenz für Beispiele zu belegen!
Könnte ich mir doch in etwa so vorstellen , was bei diesen beiden Programmen tatsächlich der Fall nach Gödel ist und zwar , dass man diese "Kleidung" , so wie hier beschrieben , nie wird ganz ausziehen können."…The meaning of a representation can be nothing but a representation. In fact, it is nothing but the representation itself conceived as stripped of irrelevant clothing. But this clothing never can be completely stripped off; it is only changed for something more diaphanous. So there is an infinite regression here."
–—————
Der Sinn einer Darstellung kann nichts anderes sein als eine Darstellung. Tatsächlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um die Darstellung selbst, die ihrer irrelevanten Kleidung entledigt wird. Aber diese Kleidung kann man nie ganz ausziehen; es wird nur durch etwas Durchsichtigeres ersetzt. Hier liegt also eine unendliche Regression vor. … [Übersetzt von Google Translate]
Charles Sanders Peirce: http://www.commens.org/dictionary/term/sign
Um dazu auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen , so setze ich einmal für Darstellung ein ..
Der Sinn eines Begriffs kann nichts anderes sein als ein Begriff .Tatsächlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um den Begriff selbst, der seiner irrelevanten Kleidung entledigt wird. Aber diese Kleidung kann man nie ganz ausziehen; es wird nur durch etwas Durchsichtigeres ersetzt. Hier liegt also eine unendliche Regression vor. …
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Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑So 29. Dez 2024, 15:42Das würde jedem ernsthaften Sprechen den Boden entziehen. Wenn "was der Fall ist" nicht mehr unmittelbares Sein bedeutet, bedeutet es gar nichts mehr. Denn auch ein Unsinnssatz ist dann ja der Fall.
Und das entspricht in keinster Weise dem, was Wittgenstein zur Zeit des tractatus sagen wollte.
Ganz meiner Meinung , heißt es doch bei Wittgenstein ..
- 4.05 Die Wirklichkeit wird mit dem Satz verglichen.
4.06 Nur dadurch kann der Satz wahr oder falsch sein, indem er ein Bild der Wirklichkeit ist.
Ludwig Wittgenstein ... Logisch-philosophische Abhandlung
- 4.024 Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist."
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- 3.4 Der Satz bestimmt einen Ort im logischen Raum. Die Existenz dieses logischen Ortes ist durch die Existenz der Bestandteile allein verbürgt, durch die Existenz des sinnvollen Satzes.
3.41 Das Satzzeichen und die logischen Koordinaten: Das ist der logische Ort.
3.411 Der geometrische und der logische Ort stimmen darin überein, dass beide die Möglichkeit einer Existenz sind.
3.42 Obwohl der Satz nur einen Ort des logischen Raumes bestimmen darf, so muss doch durch ihn schon der ganze logische Raum gegeben sein.
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Im Tractatus findet man: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." In diesem Frühwerk von Wittgenstein finden sich jedoch "schwere Irrtümer", zumindest nach Ansicht von … Wittgenstein. Aber dieser Satz, egal wie man ihn im Detail auslegt, ist der Kern der sogenannten wahrheitskonditionalen Sprachphilosophien, die bis heute wirksam sind. Und aus diesem Grund - und weil der Satz perfekt formuliert ist - habe ich ihn in dem oben nachzulesenden Zusammenhang dieses Zitat platziert.
4.024 Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist. (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.)
Erläuterung: Man kann ihn also auch verstehen, wenn er falsch ist. Oder technischer: Das Verstehen eines Satzes ist unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitswert. Btw: die Wahrheit ist etwas, was uns miteinander verbinden kann.
4.024 Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist. (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.)
Erläuterung: Man kann ihn also auch verstehen, wenn er falsch ist. Oder technischer: Das Verstehen eines Satzes ist unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitswert. Btw: die Wahrheit ist etwas, was uns miteinander verbinden kann.
Vielleicht liege ich falsch, aber ich lese Wittgensteins Äußerung in diesem Sinne:
Einen wahren Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist.
Einen unwahren Satz verstehen, heißt, nicht wissen was der Fall ist.
Ein Satz vermittelt mir entweder die Wahrheit oder die Unwahrheit. Welches der beiden er mir vermittelt, kann ich nicht wissen. Aber wenn ich einen wahren Satz verstehe, weiß ich etwas wahres. Und wenn ich einen unwahren Satz verstehe, weiß ich nicht etwas wahres. Ein unwahrer Satz vermittelt mir nicht, was der Fall ist.
"Die Erde ist eine Scheibe" -- Diesen Satz verstehe ich. Womöglich ist er aber nicht wahr. Wenn er unwahr ist, lerne ich aus ihm nicht, was der Fall ist.
Einen wahren Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist.
Einen unwahren Satz verstehen, heißt, nicht wissen was der Fall ist.
Ein Satz vermittelt mir entweder die Wahrheit oder die Unwahrheit. Welches der beiden er mir vermittelt, kann ich nicht wissen. Aber wenn ich einen wahren Satz verstehe, weiß ich etwas wahres. Und wenn ich einen unwahren Satz verstehe, weiß ich nicht etwas wahres. Ein unwahrer Satz vermittelt mir nicht, was der Fall ist.
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Das stimmt manchmal, aber nicht allgemein.
<Nicht "Einen wahren Satz verstehen"> ist nicht gleichbedeutend mit <"Einen unwahren Satz verstehen">, Du darfst die Negation nicht einfach nach Innen ziehen.
Wissen, was der Fall ist, heißt konkret auch wissen, was nicht der Fall ist. Also: "wissen, daß A" heißt "wissen, daß nicht ¬A", "nicht wissen, daß A" heißt "nicht wissen, ob A oder ¬A", also auch "nicht wissen, daß ¬A".
Dieser Widerspruch entsteht durch die Verwechslung, ob die Aussage oder die Behauptung, die mit der Aussage gemacht wird, verstanden wird, man könnte vom Unterschied von syntaktischem und semantischem Verstehen reden.
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Dieser von Dir zitierte Satz 3.4 ist ganz entscheidend für die Diskussion des Satzes 4.024. Er zeigt nämlich, daß Wittgenstein durchaus die Problematik spürt, sie aber nicht benennen kann. Man muß, wenn man die Sprache als Bildbereich einer Abbildung der Realität begreift (tractatus, Punkt 2), der Sprache einen anderen Raum zuweisen als den Raum der Realität. Das ist der logische Raum, Denkraum. Sprachobjekte sind Objekte im logischen Raum, in dem sie nur in logischer Form existieren. Sinnvolles Sprechen ist Sprechen über reale Dinge, die auf die logischen Formen abgebildet sind. Welche Formen gelten, muß offen sein, ist eine Frage des Vergleichs der Logik in der Sprache mit der Tatsächlichkeit in der Welt. Gedanken sind Objekte im Denkraum, das ist der Möglichkeitsraum der Logik und Mathematik, der Möglichkeitsraum der sinnvollen Sätze. Hier hätte Wittgenstein einfügen können: der formalen, apriorischen Wahrheit. Die inhaltliche Wahrheit ergibt sich aus dem Vergleich des Wirklichen mit dem Möglichen. Dieser Vergleich stellt die Abbildungseigenschaft her, es ist die Fregesche Bedeutung eines Satzes, die logischen Formen sind der Sinn der sprachlichen, also nach Wittgenstein und Frege logischen Beziehungen in der Form der Bezeichnungen.Timberlake hat geschrieben : ↑Mo 30. Dez 2024, 02:45
Ganz meiner Meinung , heißt es doch bei Wittgenstein ..
- 4.05 Die Wirklichkeit wird mit dem Satz verglichen.
4.06 Nur dadurch kann der Satz wahr oder falsch sein, indem er ein Bild der Wirklichkeit ist.
Ludwig Wittgenstein ... Logisch-philosophische Abhandlung
Der Haken an der Sache ist, daß es nach 2.225 kein apriori wahres Bild geben kann, das bedeutet, daß Wahrheit auf inhaltliche beschränkt wird, also auf empirische, weil nur bei ihr das Bild mit dem Urbild der Abbildung verglichen wird/werden kann, und damit als wahr oder nicht wahr festgestellt werden kann.
Wittgenstein glaubt aber, diese Klippe umschiffen zu können, indem er Faktizität und Tatsachen, Sachlagen trennt (siehe 3.142 und 3.144). Namen sind die Referenzen der sprachlichen Bilder, also die Bedeutungen im Fregeschen Sinn.
Das ist mir klar, Wolfgang. Aber welche der beiden möglichen Negationen hat Wittgenstein gemeint? Die Negation des Satzverstehens oder die Negation des Fallwissens? Mein Eindruck ist, er meinte letzteres.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Mo 30. Dez 2024, 15:40Das stimmt manchmal, aber nicht allgemein.
<Nicht "Einen wahren Satz verstehen"> ist nicht gleichbedeutend mit <"Einen unwahren Satz verstehen">, Du darfst die Negation nicht einfach nach Innen ziehen.
"Die Erde ist eine Scheibe". Ich verstehe diesen Satz, obwohl er unwahr ist. Der Satz sagt mir aber nicht, was der Fall ist. (Sie ist keine Scheibe, das ist der Fall.)
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Man kann ja viele Einwände haben gegen Wittgenstein. Aber er war Logiker, also meinte er: Einen Satz verstehen heißt wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist, und wissen, was nicht der Fall ist, wenn er nicht wahr ist. Oder kurz: Einen Satz verstehen heißt wissen, was der Fall ist genau dann, wenn er wahr ist.
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Bekanntermaßen habe ich ein Faibel für BeispieleWolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Mo 30. Dez 2024, 15:49Dieser von Dir zitierte Satz 3.4 ist ganz entscheidend für die Diskussion des Satzes 4.024. Er zeigt nämlich, daß Wittgenstein durchaus die Problematik spürt, sie aber nicht benennen kann. Man muß, wenn man die Sprache als Bildbereich einer Abbildung der Realität begreift (tractatus, Punkt 2), der Sprache einen anderen Raum zuweisen als den Raum der Realität. Das ist der logische Raum, Denkraum. Sprachobjekte sind Objekte im logischen Raum, in dem sie nur in logischer Form existieren. Sinnvolles Sprechen ist Sprechen über reale Dinge, die auf die logischen Formen abgebildet sind. Welche Formen gelten, muß offen sein, ist eine Frage des Vergleichs der Logik in der Sprache mit der Tatsächlichkeit in der Welt. Gedanken sind Objekte im Denkraum, das ist der Möglichkeitsraum der Logik und Mathematik, der Möglichkeitsraum der sinnvollen Sätze. Hier hätte Wittgenstein einfügen können: der formalen, apriorischen Wahrheit. Die inhaltliche Wahrheit ergibt sich aus dem Vergleich des Wirklichen mit dem Möglichen. Dieser Vergleich stellt die Abbildungseigenschaft her, es ist die Fregesche Bedeutung eines Satzes, die logischen Formen sind der Sinn der sprachlichen, also nach Wittgenstein und Frege logischen Beziehungen in der Form der Bezeichnungen.Timberlake hat geschrieben : ↑Mo 30. Dez 2024, 02:45
Ganz meiner Meinung , heißt es doch bei Wittgenstein ..
- 4.05 Die Wirklichkeit wird mit dem Satz verglichen.
4.06 Nur dadurch kann der Satz wahr oder falsch sein, indem er ein Bild der Wirklichkeit ist.
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Der Haken an der Sache ist, daß es nach 2.225 kein apriori wahres Bild geben kann, das bedeutet, daß Wahrheit auf inhaltliche beschränkt wird, also auf empirische, weil nur bei ihr das Bild mit dem Urbild der Abbildung verglichen wird/werden kann, und damit als wahr oder nicht wahr festgestellt werden kann.
Wittgenstein glaubt aber, diese Klippe umschiffen zu können, indem er Faktizität und Tatsachen, Sachlagen trennt (siehe 3.142 und 3.144). Namen sind die Referenzen der sprachlichen Bilder, also die Bedeutungen im Fregeschen Sinn.
Um an dieser Stelle dazu @Quk mit ins Boot zu holen. Wie wäre es denn, wenn du das an den Satz "Die Erde ist eine Scheibe" erklärst. Wenngleich ich jetzt dabei keinen Unterschied zum Satz: "Der Mond ist aus Käse" sehe. Anhand dessen ich im Beitrag 86772 meine Sichtweise dazu dargelegt habe. Eine Sichtweise, wonach der besagte Satz: "der Mond ist aus Käse", auf den sich hier dazu bezogen wurde, ganz sicher kein Bild der Wirklichkeit ist (vgl. 4.05, 4.06 Ludwig Wittgenstein … Logisch-philosophische Abhandlung). An dem aber zugleich gemäß den "logischen Koordinaten" tatsächlich nichts zu bemängeln gibt (vgl.3.4. 3.41,3.411, 3.42)
Das würde übrigens auch mit dem Satz: "Die Erde ist eine Scheibe" funktionieren, wie überhaupt bei allen Sätzen, die nicht der Fall sind
- 4.024 Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist."
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- 1.21 Eines kann der Fall sein oder nicht der Fall sein und alles übrige gleich bleiben.
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- "2.0121 (Etwas Logisches kann nicht nur-möglich sein. Die Logik handelt von jeder Möglichkeit und alle Möglichkeiten sind ihre Tatsachen.) "
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Zuletzt geändert von Timberlake am Mo 30. Dez 2024, 20:17, insgesamt 4-mal geändert.