Gott ist nicht tot

Glaube und Wissen, Wesen und Formen von Religionen, ihre Bedeutung für das menschliche Leben, Grundfiguren religiösen Denkens u.ä. - Darauf wirft die Religionsphilosophie ihren Blick.
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Friederike
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Mi 25. Apr 2018, 15:18

herbert clemens hat geschrieben :
Mi 25. Apr 2018, 11:04
epitox hat geschrieben :
Di 24. Apr 2018, 20:25
(Anschließen müsste es an dieser Stelle eine genauere Erläuterung des Begriffs "das geschichtliche Handelns Gottes in der Welt", "Allmächtigkeit" geben und insbesondere der Frage nachgegangen werden, wie wir sein Handeln überhaupt in der Welt erfahren können. Auf Wunsch schreib ich da gerne noch was zu!)

Wird gewünscht
Ich schließe mich Herbert an. Die zentrale Frage, warum Gott, der doch die Macht hat, Wirklichkeiten zu setzen (Derrida und "Gewalt"), Wirklichkeiten setzt oder zuläßt, die leidvoll sind, wo Er doch gleichzeitig "Liebe ist" (JohEv.), die scheint mir noch nicht beantwortet. Allenfalls so, wie Du schon in dem historischen Abriß dargelegt hattest, daß wir die Frage nicht beantworten können.

Daß wir Gott innerweltlich nicht erkennen können, das kommt mir zu akademisch vor (an den existentiellen menschlichen Fragen vorbeigeredet). Ob Gott "gut" oder/und "allmächtig" ist, das wissen wir daher nicht bzw. das können wir nicht aus den weltlichen Geschehnissen herleiten, und überhaupt erkennen wir Gott nur quasi als Negativ dessen, was ist. Über Gott in vernünftigen und logischen Sätzen zu sprechen, das ist zwar eine Möglichkeit, die meiner Meinung nach aber nicht unberücksichtigt lassen darf, daß Gott ein lebendiger Gott mit einer Menge von Eigenschaften ist, wovon die biblischen Texte zeugen. Und diese Texte geben existentiell wichtige Erfahrungen mit Gott wieder, die Christen und Christinnen u.a. als Offenbarungen Gottes verstehen (mit Einschränkungen selbstverständlich).

Das ist nur meine Begründung dafür, warum ich, wie Herbert, darum bitte, noch "nachzulegen".




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epitox
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Mi 25. Apr 2018, 21:17

Friederike hat geschrieben :
Mi 25. Apr 2018, 15:18
Ich schließe mich Herbert an. Die zentrale Frage, warum Gott, der doch die Macht hat, Wirklichkeiten zu setzen (Derrida und "Gewalt"), Wirklichkeiten setzt oder zuläßt, die leidvoll sind, wo Er doch gleichzeitig "Liebe ist" (JohEv.), die scheint mir noch nicht beantwortet. Allenfalls so, wie Du schon in dem historischen Abriß dargelegt hattest, daß wir die Frage nicht beantworten können.
Ja ich kann dich sehr gut verstehen. Auch du erwartest eine "theoretische Lösbarkeit" im Sinne der Fragestellung. Aber genau das ist das Problem: es fehlt dir in meinen Ausführungen das schlagende Argument. Du hoffst vielleicht, die Theologen hätten da sicher noch was in petto, dass all die "blöden Atheisten" sofort verstummen lassen wird....

Und so glauben zuweilen auch manche Theologen (und auch das besagte Lehrbuch) an die Unlösbarkeit der Frage durch die Lehre. Dabei übersehen sie alle, dass nicht etwa die Lehre eine Lösung bräuchte, sondern, dass im Gegenteil, die ganze christliche Botschaft selbst die gesuchte Lösung darstellt! Allerdings in einer von Irrtum und falschen Vorstellungen gereinigten Form.

Um das Gesagte nochmal zu verdeutlichen: das Gefühl eines gewissen Unwohlseins mit dieser Lösung der Theodizeefrage ist eine gute Erfahrung im Hinblick auf die Gotteslehre: Gott entzieht sich unseren Festlegungen. Immer da wo wir meinen ihn auf etwas festnageln zu können, entschwindet er unseren Fingern und Blicken. Denn Gott bleibt uns ein Mysterium. Er ist nur dort erkennbar, wo er sich zu erkennen geben will. Gottes Autonomie passt nicht in das Korsett unserer falschen Vorstellungen und Wünsche. Er zeigt und entzieht uns seine Gegenwart nach eigenem Entschluss.Gott ist der Sich-Entziehende, der ganz Andere, der Unerkennbare. (derjenige, der nicht unter unsere Begriffe fällt) Zumindestens mit dieser Aussage stimme ich mit dem Lehrbuch überein.


(Teil IV kommt etwas später mit dem Thema des Geschichtswirken Gottes )

epitox




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Friederike
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Do 26. Apr 2018, 12:09

epitox hat geschrieben :
Mi 25. Apr 2018, 21:17
[...] und so glauben zuweilen auch manche Theologen (und auch das besagte Lehrbuch) [...] Zumindestens mit dieser Aussage stimme ich mit dem Lehrbuch überein.
epitox hat geschrieben : Historische Lösungen laut den Lehrbüchern: [...]
Nur die Bitte @epitox, wenn Du fortfährst - machst Du kenntlicher, wann Du referierst und wann Du Deine eigene Auffassung schreibst; und vielleicht auch noch, ob nun ein Lehrbuch Deine Grundlage bildet oder ob Du aus mehreren zusammenträgst (falls es ein bestimmtes Lehrbuch ist, welches?). Daß mir nicht deutlich wird, wann Du mit eigener oder wann Du mit fremder Zunge sprichst, das irritiert mich schon die ganze Zeit.




herbert clemens
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Do 26. Apr 2018, 14:05

Im Wesentlichen finde ich epitox Gedankengang durchaus nachvollziehbar.
Ich fasse für mich (vielleicht zu ) kurz zusammen. Es gibt viele Hinweise auf die weisheitvolle Schöpferkraft Gottes, der gleichzeitig Mysterium, der ganz andere, der Unbeweisbare,... bleibt.
Mensch kann an Gott zweifeln, und sein Heil im Agnostizismus suchen, er ist jedoch nicht dazu verpflichtet. Es ist intellektuell redlich, auf Gott zu vertrauen.
In Freiheit gesetzt liegt es primär an mir, die allumfassende Liebe, die Gnade, wahr zu nehmen. Und sie so lebendig zu machen, dass ich den Nächsten liebe wie mich selbst.
Ich erwarte keine "theoretische Lösbarkeit". Der Hauptakzent meines Wunsches bezieht sich auf: „insbesondere der Frage nachgegangen werden, wie wir sein Handeln überhaupt in der Welt erfahren können“.
(Ohne Lehrbuch kann ich zum Glück nur mit meiner Zunge sprechen.)




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Friederike
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Do 26. Apr 2018, 15:18

herbert clemens hat geschrieben :
Do 26. Apr 2018, 14:05
[...] In Freiheit gesetzt liegt es primär an mir, die allumfassende Liebe, die Gnade, wahr zu nehmen. Und sie so lebendig zu machen, dass ich den Nächsten liebe wie mich selbst. Der Hauptakzent meines Wunsches bezieht sich auf: „insbesondere der Frage nachgegangen werden, wie wir sein Handeln überhaupt in der Welt erfahren können“.
Ob Du mit dem ersten + zweiten Satz epitox wiedergibst oder selber sprichst, :lol: ist mir zwar nicht klar, aber an dieser Stelle finde ich es nicht wichtig. Mir fällt nur auf, daß Satz 1 + 2 die Frage nach der Erfahrbarkeit von Gottes Handeln in der Welt doch schon beantworten. Ungeachtet dessen, daß es noch andere Antworten geben kann.




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Friederike
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Do 26. Apr 2018, 18:27

Thematisch paßt es besser hierher als in den "Zettelkasten". Das "Zungenreden" ist eine Gnadengabe Gottes, ein Charisma. Das würde bedeuten, daß Gottes Handeln u.a. in der Welt dadurch erfahren wird, daß manchen Menschen dieses Charisma verliehen worden ist.




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epitox
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Do 26. Apr 2018, 22:43

Friederike hat geschrieben :
Do 26. Apr 2018, 12:09
epitox hat geschrieben :
Mi 25. Apr 2018, 21:17
[...] und so glauben zuweilen auch manche Theologen (und auch das besagte Lehrbuch) [...] Zumindestens mit dieser Aussage stimme ich mit dem Lehrbuch überein.
epitox hat geschrieben : Historische Lösungen laut den Lehrbüchern: [...]
Nur die Bitte @epitox, wenn Du fortfährst - machst Du kenntlicher, wann Du referierst und wann Du Deine eigene Auffassung schreibst; und vielleicht auch noch, ob nun ein Lehrbuch Deine Grundlage bildet oder ob Du aus mehreren zusammenträgst (falls es ein bestimmtes Lehrbuch ist, welches?). Daß mir nicht deutlich wird, wann Du mit eigener oder wann Du mit fremder Zunge sprichst, das irritiert mich schon die ganze Zeit.
Keine Sorge, alles ist gut gekennzeichnet. :) Teil I - der historische Abriss - ist Standardfolklore. Mehr oder weniger vollständig überall ausgeführt und nachlesbar. Alles andere ist eigener Text. Allerdings steht alles was ich schreibe im Einklang mit der Lehre. Es geht mir hier nicht um die Darstellung meine Meinung, sondern um eine gewisse Einführung in das theologische Denken!



(Zusatzbemerkung zum Teil I

Obwohl es bestimmt keinem aufgefallen ist, gilt Lösung 1 (Lösungen durch Modifikation des Leidens) nicht etwa - wie man meinen könnte - der Rehabilitierung Gottes angesichts der Existenz des Bösen, sondern umgekehrt, der Rechtfertigung der menschlichen Vernunft vor Gott. Ja - richtig gelesen! Der arme liebe Gott war hierbei bloß das Vehikel der Heiligsprechung der Vernunft. Zufrieden war man in den aufgeklärten Kreisen mit dieser überaus eleganten "Lösung" genau bis zum 1. November 1755. Mit den Ereignissen dieses Tages brach dann auch die Lebenslüge ihrer Vetreter endgültig zusammen! :D )

epitox




herbert clemens
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Fr 27. Apr 2018, 08:37

Friederike hat geschrieben :
Do 26. Apr 2018, 15:18
herbert clemens hat geschrieben :
Do 26. Apr 2018, 14:05
[...] In Freiheit gesetzt liegt es primär an mir, die allumfassende Liebe, die Gnade, wahr zu nehmen. Und sie so lebendig zu machen, dass ich den Nächsten liebe wie mich selbst. Der Hauptakzent meines Wunsches bezieht sich auf: „insbesondere der Frage nachgegangen werden, wie wir sein Handeln überhaupt in der Welt erfahren können“.
Ob Du mit dem ersten + zweiten Satz epitox wiedergibst oder selber sprichst, :lol: ist mir zwar nicht klar, aber an dieser Stelle finde ich es nicht wichtig. Mir fällt nur auf, daß Satz 1 + 2 die Frage nach der Erfahrbarkeit von Gottes Handeln in der Welt doch schon beantworten. Ungeachtet dessen, daß es noch andere Antworten geben kann.
Wie schon gesagt, spreche (schreibe) ich ohne theologischen Bezugsrahmen für mich selbst. (Ich sehe allerdings starke Übereinstimmungen mit epitox.) Seine vertiefende Fortführung der Frage "wie wir sein Handeln überhaupt in der Welt erfahren können“(epitox) interessiert mich besonders.




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Friederike
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Fr 27. Apr 2018, 08:59

epitox hat geschrieben :
Do 26. Apr 2018, 22:43
Zufrieden war man in den aufgeklärten Kreisen mit dieser überaus eleganten "Lösung" genau bis zum 1. November 1755. Mit den Ereignissen dieses Tages brach dann auch die Lebenslüge ihrer Vertreter endgültig zusammen! :D )
Ich mußte googeln. Das Erdbeben, das Lissabon zerstörte.




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Jörn Budesheim
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Fr 27. Apr 2018, 12:25

Ja, das war ein Erdbeben und zwar nicht nur in Lissabon, sondern in Gesamteuropa. Die Rede von der besten aller möglichen Welten klang danach etwas seltsam ...




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Friederike
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Fr 27. Apr 2018, 16:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 27. Apr 2018, 12:25
Ja, das war ein Erdbeben und zwar nicht nur in Lissabon, sondern in Gesamteuropa. Die Rede von der besten aller möglichen Welten klang danach etwas seltsam ...
Das ist eine ganz gute Vorlage, um leicht ungnädig damit reinzuplatzen, daß die "Höllenmaschine" nun wirklich nicht nur ein beliebter Angriffspunkt für Atheisten ist. Gott hat die Welt geschaffen, ein bißchen mächtig ist er schon, und wenigstens könnte Er dafür sorgen, daß die übelsten Geschehnisse, über die hinaus man sich kaum Übleres vorstellen kann, nicht sind. Wirklich @epitox, ich habe gerade keine Lust mehr, mir öfter von Dir erklären zu lassen, ein "falsch verstandener Gott", ein "falsch verstandenes Christentum" ... und wenn man also nur alles richtig versteht, dann ist die Liebe-Leid-Frage offenbar geklärt? Ich meine es nicht böse, außerdem gehe ich davon aus, daß Du mein Poltern nicht persönlich nimmst und falls doch, daß Du es -vollkommen souverän- abkannst.




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epitox
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Fr 27. Apr 2018, 20:12

Friederike hat geschrieben :
Fr 27. Apr 2018, 16:20
... und wenn man also nur alles richtig versteht, dann ist die Liebe-Leid-Frage offenbar geklärt?
Ich versuche hier nun schon eine geraume Weile zu erläutern, dass die Frage nach dem Leid, die Frage nach Gott und die Frage nach dem Bösen mitnichten ein "Problem" darstellt, wie es in unserem Leben viele gibt, wo dann die cleveren Jungs mit ihren "tollen" Ideen auftauchen und das Problem in Luft auflösen. Um eine solche Art von "Problem" handelt es sich bei der Theodizeefrage eben gerade nicht!

Ich will nochmal festhalten:
  • Gott ist kein Argumentationsmittel, mit dem man was beweisen könnte
  • Gott ist auch nicht ein Mittel zur Selbstdarstellungen und Selbstbeweihräucherung der menschlichen Vernunft (wie bei Leibniz)
  • Gott ist weder ein wertvoller Mitarbeiter der kath. Kirche, noch das Demonstrationsobjekt häretischer Thesen ihrer Gegner
Vielleicht fällt das Verständnis dafür leichter, wenn Teil IV geposted ist.

epitox




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Friederike
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Sa 28. Apr 2018, 10:04

epitox hat geschrieben :
Fr 27. Apr 2018, 20:12
Vielleicht fällt das Verständnis dafür leichter, wenn Teil IV geposted ist. epitox
Ich bin gespannt.Bild




Tosa Inu
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Sa 28. Apr 2018, 11:21

Friederike hat geschrieben :
Fr 27. Apr 2018, 16:20
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 27. Apr 2018, 12:25
Ja, das war ein Erdbeben und zwar nicht nur in Lissabon, sondern in Gesamteuropa. Die Rede von der besten aller möglichen Welten klang danach etwas seltsam ...
Das ist eine ganz gute Vorlage, um leicht ungnädig damit reinzuplatzen, daß die "Höllenmaschine" nun wirklich nicht nur ein beliebter Angriffspunkt für Atheisten ist. Gott hat die Welt geschaffen, ein bißchen mächtig ist er schon, und wenigstens könnte Er dafür sorgen, daß die übelsten Geschehnisse, über die hinaus man sich kaum Übleres vorstellen kann, nicht sind. Wirklich @epitox, ich habe gerade keine Lust mehr, mir öfter von Dir erklären zu lassen, ein "falsch verstandener Gott", ein "falsch verstandenes Christentum" ... und wenn man also nur alles richtig versteht, dann ist die Liebe-Leid-Frage offenbar geklärt? Ich meine es nicht böse, außerdem gehe ich davon aus, daß Du mein Poltern nicht persönlich nimmst und falls doch, daß Du es -vollkommen souverän- abkannst.
Ich habe bislang, gerade bei Metz, auch nicht mehr gelesen, als dass man für die Zweifel der Ungläubigen und/oder Unwissenden doch ein gewisses nachsichtiges Verständnis aufbringen muss. Um dann nachher doch bei der einzig richtigen Erkenntnis zu landen, dass alle Zweifler sich natürlich irren?
Auch wenn sie in aller Milde daherkommt, ist es eine arrogante Pose.

Die wirkt bei einem vorausgesetzt ernsthaften und aufrichtigen Bemühen um Vermittlung immer kontraproduktiv.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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epitox
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Sa 28. Apr 2018, 11:56

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 28. Apr 2018, 11:21
Ich habe bislang, gerade bei Metz, auch nicht mehr gelesen, als dass man für die Zweifel der Ungläubigen und/oder Unwissenden doch ein gewisses nachsichtiges Verständnis aufbringen muss.
Davon kann überhaupt nicht die Rede sein! Christen stehen - wie auch Atheisten - vor der gleichen Situation mit "Verblüffung" und "Irritation" angesichts des unermesslichen Leides in der Welt. Der Unterschied besteht nur darin, dass für Atheisten das scheinbar letzte Wort über alle Arten des Leides schon längst gesprochen wurde: "Es ist halt so und da kann man nichts machen". Mit dieser Grundhaltung wird Auschwitz bloß ein Vorfall in der Geschichte der Menschheit bleiben, den man zwar bedauern kann, der aber mit dem Tod von Tätern und Opfern dem großen Vergessen der Zeit anheimfallen wird. Recht bleibt Recht. Unrecht bleibt Unrecht und damit ungesühnt. Christen wollen sich hingegen mit so einem "Schicksal" nicht abfinden! Das Leid ist für Atheisten zwar irgendwie "da", aber letztlich nicht weiter von Belang...




epitox




Tosa Inu
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Sa 28. Apr 2018, 19:25

Den zweiten Teil kann ich nicht nachvollziehen und das ist auch nicht meine Meinung, da viele wollen, dass sich Auschwitz niemals wiederholt.
epitox hat geschrieben :
Sa 28. Apr 2018, 11:56
Der Unterschied besteht nur darin, dass für Atheisten das scheinbar letzte Wort über alle Arten des Leides schon längst gesprochen wurde: "Es ist halt so und da kann man nichts machen".
Das allerdings sehe ich, wie Du.
Dieses lapidare "Tja, dumm gelaufen, aber statistisch kann es immer einen treffen, der sind halt Sie.", ist nun wirklich nichts, was einen in irgendeiner Art und Weise satt machen kann. Da wäre der simpelste weltanschauliche Trost noch besser und warum man dann despektierlich über Tröstungen redet, kann ich nicht verstehen. Menschen wollen Antworten, die sie sinnhaft nachvollziehen können, dass man gerade in der kosmischen Lotterie verloren hat, ist keine solche Antwort. Dass es besonders erwachsen und rational sei, das alles ganz nüchtern zu sehen, ist für mich weniger rational, als an der Grenze zum Zynismus.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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epitox
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Sa 28. Apr 2018, 21:28

Teil IV

Die Zeichen Gottes Geschichtsmacht

Die Erfahrung von Leid und Ungerechtigkeiten sind im AT und NT verknüpft mit der nahen Heilserwartung, aber immer im Gedenken (Anamnese) auch an vergangenes, geschehenes Leid und Unrecht. Zur Zeiten Christi waren das
  • Das Leiden der Juden unter der Besatzungsmacht und durch den Machtmissbrauch ihrer Herrscher. Gleichzeitig aber in einer Heilserwartung, als Hoffnung auf den rettenden Messias, der das Volk endgültig aus den Notlagen des Lebens und der Bedrängnis fremder Herrschaft erlöst.

Es ist das ungeduldige Warten auf das eschatologische Handeln Gottes in der Geschichte, das mit der Hoffnung auf den Messias in einer Zeit der Auswegslosigkeit und allgemeiner Verelendung verbunden wird.
  • Die Heilserwartung ist nicht frei von Umbrüchen und Verwerfungen, sondern erfolgt wie durch das Leiden hindurch

Die Erlösung ist mit Leid und Tod verbunden:
  • Erlösungshandeln Christi geschieht durch freiwillige Annahme von Leid, ungerechter Strafe - bis zur Inkaufnahme des Todes - zur Rettung vieler (d.h. von allen)

Das Ziel der Geschichtsmacht Gottes:
  • Gottes Handeln ist Widerlager mit der Macht der Schwachheit dem verbrecherischen Wahn der Menschen Einhalt zu bieten
  • Gottes Handeln ermöglicht den Menschen Neuanfänge auch aus schier ausweglosen und katastrophalen Situationen heraus
  • Gottes Handeln soll nicht nur Leidende trösten, sondern auch begangenes Unrecht korrigieren und seiner Gerechtigkeit in der Welt zum Durchbruch verhelfen
  • Die Güte und Barmherzigkeit Gottes soll auch den schlimmsten Sünder gerecht werden lassen, indem er sich mit ihm versöhnt

Grund dieser eschatologischen Hoffnungen ist die Selbstoffenbarung Gottes in Leiden und Sterben Jesu Christi. Im Blick auf die Auferstehung wird dabei deutlich, dass Gott auch in den aussichtslosesten Situationen seinen heilenden Willen durchsetzen kann.
  • In den Seligpreisungen der Bergpredigt lenkt Jesus den Blick der Apostel auf die vielfältige Arten und Folgen leidvoller Armut, Ihr sollen von nun an ungeteilt Sorge und Fürsorge gelten (und damit einhergehend eine Wirklichkeitsschulung)
Nur durch eine entwickelte Sensibilität und Achtsamkeit für die Not der anderen, durch ein bewußtwerden für fremdes Leid, werden wir fähig die Lebenswirklichkeit ausreichend zu erfassen, um dadurch handlungsfähig zu werden. Nur in der Anerkennung dieser Aufforderung zum Mittun am die Wirklichkeit würdigenden und das nicht-sein-sollende Leiden bekämpfenden Tun Gottes ist deshalb eine theodizee-sensible Rede vom Handeln Gottes in der Welt möglich.
  • Unser Mittun am Handeln Gottes lässt im Vorgriff Wirklichkeit werden, was als erlösendes Heilshandeln an uns von Gott her gehofft und in Zukunft von ihm erwartet wird
  • Tröstung des Trauernden, Heilung des Leidenden, Zuspruch für den Verängstigten, Überwindung des Unrechts und Etablierung einer niemanden ausschließenden Gemeinschaft versöhnter Verschiedenheit
Damit geht einher der eigene Anspruch, dem Fremden, dem Leidenen, dem Versklavten, dem Hungernden und dem Dürstenden nicht das zu versagen, was am Ende von Gott her erhofft wird und das uns als Christen schon durch ihm zugesprochen wurde.

Gottes Handeln in der Geschichte wird somit als ein Mithandeln verstanden, das die Verheißungen am Ende der Geschichte schon anfangshaft in dieser Zeit aufscheinen lässt, aber über das dennoch nur verletzlich und nicht frei von Irritation und Unsicherheit gesprochen werden kann.
  • Der Mensch ist von Gott gewürdigt und befähigt, an der Verwandlung der Welt durch die Kraft der göttlichen Liebe mitzuwirken.
  • Gottes Selbstzusage seiner Liebe wird um so mehr realisiert, je entschiedener Menschen aus Liebe zum Anderen/Nächsten handeln.
Durch dieses Liebeshandeln des Menschen am Nächsten, das immer schon auf Gott verweist, ist der Handelnde schon von Gott her ermächtigt dem Nächsten die göttliche Liebe zuzusprechen. Damit ist es zugleich Gottes Handeln, dass konkret hineinführt in das Liebesverhältnis, das er in sich selber ist und deshalb den Menschen frei gewähren kann.


Ablschließend noch ein paar Gedanken:
  • Gott steht in seinem Handeln zu uns also nicht in einem Konkurenzverhältnis, sondern sein Handeln ist immer Mithandeln in unserem Handeln.
  • Gottes Handeln ist Liebeshandeln. Er wirbt und lockt uns mit den Mitteln der Liebe. Er handelt durch und mit uns mit den Mitteln seiner Liebe, die er in sich schon selber ist.
  • Durch die Wirklichkeit Gottes verliert der Mensch weder seinen Eigenstand noch seine Würde, sondern er kommt gerade durch Mithandeln am Willen Gottes zu sich selbst, seiner Freiheit, seiner Autonomie und damit zu seiner Würde.
epitox




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Friederike
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So 29. Apr 2018, 14:26

Ich zitiere auszugweise aus Gerhard Lohfink, "Das Vaterunser neu ausgelegt", Stuttgart 2012, S. 79-81 und zwar zur 3. Bitte des VU, "Dein Wille geschehe":
GL hat geschrieben : Es geht um den Heilsplan Gottes. Dieser ist kein blindes Faktum, auch nicht das Weltgesetz der Stoa, auch nicht der Wille eines unerbittlichen Gottes. Derartige Deutungen würden weit an dem vorbeigehen, was hier mit dem Willen des Vaters gemeint ist. Es ist der göttliche Geschichtsplan, der die Welt befreien soll, dem die Welt aber widerstrebt, weil sie nicht Gott will, sondern sich selbst. Dieser Widerstand gegen Gott wird Jesus den Tod bringen. Gott aber macht aus dem Tod Jesu die rettende Besiegelung alles dessen, was dieser verkündet hatte. Der Wille Gottes ist also sein Heilswille, der trotz menschlicher Schuld Erlösung schafft. Deshalb ist "den Willen des Vaters geschehen lassen" hier mehr als Gebotserfüllung. Es ist Hineingehen in den Heilsratschluß Gottes. [...] Gott hat ihn schon von Ewigkeit her gefaßt. Er kommt aus der Liebe Gottes heraus. Ziel des göttlichen Plans ist es, die Fülle der Zeit herbeizuführen. Wenn dieses Ziel der Schöpfung erreicht ist, wird alles in Christus als dem Haupt zusammengefaßt sein. Christus selbst und die von ihm gesammelte Kirche ist die konkrete Gestalt dieses Planes. In Christus ist die Durchführung, die oikonomia des Planes Gottes bereits erfüllt, in der Welt hingegen noch nicht. Für die Welt ist die Kirche das Werkzeug, durch das Gott die gesamte Schöpfung in seinen Segen hereinholt. [...] Wichtig für unseren Zusammenhang ist nun: Der als Heilsplan auf die Welt gerichtete göttliche Wille ist bereits von Ewigkeit her vorgegeben, und zwar im Himmel. Und dieser im Himmel vorgegebene und somit präexistente Heilsplan wird von Gott jetzt auf Erden durch Christus verwirklicht. Damit bekommt das "wie im Himmel so auf Erden" eine überraschend neue und viel einleuchtendere Bedeutung. "Dein Wille geschehe - wie im Himmel so auf Erden" bedeutet dann: "Den Heilsplan, den du im Himmel schon von Ewigkeit her gefaßt hast, verwirkliche jetzt auch auf Erden!"
und S. 85 noch ein Satz, den ich besonders schön finde:
GL hat geschrieben : Der Wille Gottes ist das, an dessen Realisierung Gott seine Lust und Freude hat.
Lohfink legt das VU hauptsächlich von den Geschichtsbüchern des AT her aus. Aus diesem Grunde steht das überindividuelle Heilshandeln im Vordergrund. Man kann dies aber, wie ich finde, ebensogut persönlich nehmen. Ausdrücklich: Wenn ich es persönlich nehme, dann ist es eine Entscheidung, die nur mich betrifft.

@epitox, mich hat Dein letzter Beitrag, während ich ihn mehrfach las, zu Lohfink inspiriert. Warum genau, das kann ich nicht sagen. Vielleicht war es der Ausdruck vom "Konkurrenzverhältnis", der mir so gut gefällt.




flechtlicht
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So 29. Apr 2018, 22:46

Unsere Welt ist in der Weise gerecht, als dass es keinem Menschen je schlechter ergeht als er es selbst verursacht hat.
Jedem Menschen geht es sehr viel besser als er es aus eigenem Denken, Fühlen und Handeln hervorbringen kann.

Welche Ereignisse könnten zum Zustand unserer heutigen Welt und unserem persönlichen Schicksal geführt haben?

Wie gelangen unsere Welt und wir zurück in den Zustand vollkommener Liebe?

Streife die Fesseln vernünftigen Denkens für dieses kleine Experiment eine kleine Weile ab und lass Deiner Phantasie und Deinem Herzen freien Lauf...

...erinnere Dich wie Du alles angefangen hast...

...es sind Dir keine Grenzen gesetzt...

Du bist die Liebe selbst

Im Zentrum des Kraftfelds von Liebe und Freiheit, Freude und Frieden gebierst Du Deinen Traum

Du bist allmächtig

Trau Dich

Es sei




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Friederike
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Mo 30. Apr 2018, 10:41

flechtlicht hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 22:46
Unsere Welt ist in der Weise gerecht, als dass es keinem Menschen je schlechter ergeht als er es selbst verursacht hat.
Das ist harter Tobac. Vielleicht sagst Du etwas zum gedanklichen Hintergrund dieser Behauptung?*
flechtlicht hat geschrieben : Jedem Menschen geht es sehr viel besser als er es aus eigenem Denken, Fühlen und Handeln hervorbringen kann.
Den Satz verstehe ich nicht.
flechtlicht hat geschrieben : Welche Ereignisse könnten zum Zustand unserer heutigen Welt und unserem persönlichen Schicksal geführt haben?
Hast Du eine Antwort?
flechtlicht hat geschrieben : Wie gelangen unsere Welt und wir zurück in den Zustand vollkommener Liebe?
Streife die Fesseln vernünftigen Denkens für dieses kleine Experiment eine kleine Weile ab und lass Deiner Phantasie und Deinem Herzen freien Lauf ...
... erinnere Dich wie Du alles angefangen hast ...
... es sind Dir keine Grenzen gesetzt ...
Du bist die Liebe selbst
Im Zentrum des Kraftfelds von Liebe und Freiheit, Freude und Frieden gebierst Du Deinen Traum
Du bist allmächtig
Trau Dich
Es sei
Falls ich das Experiment richtig verstehe, dann besteht die einzige Anweisung darin, mich daran zu erinnern, wie ich alles angefangen habe? Meine Vernunft lasse ich zwar gerne beiseite, aber um das Experiment durchführen zu können, muß ich ja erst einmal rational verstehen, was ich erinnern soll!

*Soweit ich es mitgekriegt habe, fühlst Du Dich dem Buddhismus verbunden. Deswegen vermute ich, daß die Aussage in diesen theoretischen Rahmen gehört. Nur müßtest Du dann bitte erklären, welche gedanklichen Voraussetzungen der Aussage zugrundeliegen.




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